Mitteilung
Nobelpreis-Lasertechnologie für die Suche nach erdähnlichen Planeten
30. Mai 2012
Die neue Technik der Laserfrequenzkämme (eso0826) [1] wurde jetzt zusammen mit dem HARPS-Planetensucher am 3,6-Meter-Teleskop am La-Silla-Observatorium der ESO in Chile getestet. Frequenzkämme erzeugen Referenzlichtquellen von außergewöhnlicher Stabilität und haben das Potenzial mit HARPS und ähnlichen Instrumenten wesentlich genauere Messungen durchzuführen als es bisher möglich war. Diese neue Technik könnte in der astronomischen Gemeinschaft ein revolutionäres Werkzeug werden und den Wissenschaftlern helfen, erdähnliche Planeten in der habitablen Zone nahe an ihren Zentralsternen zu finden. Die Ergebnisse werden in einem Fachbeitrag des Journals Nature vom 31. Mai 2012 präsentiert.
Ein Team von Wissenschaftlern der ESO, des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ, Garching) und dem Instituto de Astrofisica de Canarias (IAC, Teneriffa, Spanien) – geleitet von Tobias Wilken, einem Forscher am MPQ – hat Laserfrequenzkämme zu einem Testlauf an HARPS eingesetzt. Mit Einsatz der neuen Laserkämme wurde im Vergleich zur bisher eingesetzten Kathodenlampentechnologie eine mindestens vierfach erhöhte Genauigkeit der Messungen ermittelt.
Durch erstmalige Anwendung dieser Technik mit HARPS wurde der Umlauf des bekannten Planeten um den Stern HD75289 vermessen. Die Messungen sind mit früheren Messergebnissen konsistent und zeigen die Zuverlässigkeit der Methode für den Einsatz an den Spektrografen der nächsten Generation.
Die Frequenzkämme, die getestet wurden, sind ein Prototypsystem, das durch eine Zusammenarbeit zwischen der ESO, MPQ, der Menlo Systems GmbH (Deutschland), dem IAC und der Optikabteilung am MPQ und der Universidade Federal do Rio Grande do Norte (Brasilien) entwickelt wurde. Es wird in naher Zukunft an HARPS für den routinemäßigen Einsatz installiert.
Unterschiedliche astronomische Forschungsbereiche werden von der neuen innovativen Technik profitieren, am meisten voraussichtlich der Nachweis erdähnlicher Planeten. Eine der erfolgreichsten Methoden zur Suche erdähnlicher Planeten besteht in der Messung der durch den Dopplereffekt hervorgerufenen, winzigen Verschiebungen von Spektrallinien im Licht des Zentralsterns. Diese Verschiebungen werden relativ zu Referenzlichtquellen gemessen, die extrem stabil sein müssen. Die Laserfrequenzkämme bieten Lichtquellen, die wesentlich stabiler als alle anderen sind. Das bedeutet, dass die Messung von Geschwindigkeiten bis herab zum Niveau von nur Zentimetern pro Sekunde erreichbar sein könnte.
Will ein Beobachter irgendwo im Universum die Anwesenheit der Erde während des Umlaufs um die Sonne nachweisen, muss er Pendelbewegungen der Sonne über ein Jahr mit Messeinrichtungen ausreichender Empfindlichkeit in einer Größenordnung von nur 9 Zentimetern pro Sekunde ermitteln. Das bedeutet, dass die Nutzung der Frequenzkämme den Nachweis von Planeten mit Erdmasse in der habitablen Zone um den Zentralstern möglich macht. Solche Planeten sind unter den besten Kandidaten zum Beherbergen von Leben außerhalb des Sonnensystems.
Blickt man weiter in die Zukunft, wo die nächste Generation bodengebundener Teleskope wie dem European Extremly Large Telescope (E-ELT) verfügbar sein wird, werden Laserfrequenzkämme ein wichtiges Werkzeug zum direkten Nachweis der beschleunigten Ausdehnung des Universums sein.
Endnoten
[1] Ein Laserfrequenzkamm ist eine kohärente Lichtquelle, die ein schmalbandiges Linienspektrum erzeugt, dessen Frequenzunterschiede im Radiobereich liegen und dessen Linien kammartig in gleichmäßigen Abständen über das gesamte Spektrum vorliegen. Sie sind so präzise und stabil wie die zur Stabilisierung genutzte Atomuhr. Die Entwicklung der ersten Frequenzkämme wurde unabhängig durch die beiden Gruppen um T.W. Hänsch am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und J.L. Hall am amerikanischen National Institute of Standards and Technology durchgeführt. Sie ermöglichte die Messung von Atomübergängen in atomaren und molekularen Systemen mit unerreichter Genauigkeit. In Anerkennung dieser Entwicklungen wurde T.W. Hänsch und J.L. Hall 2005 der Nobelpreis in Physik zuerkannt, die andere Hälfte wurde R.J. Glauber zugesprochen.
[2] High Accuracy Radial velocity Planet Searcher.
[3] Das Spektrum von Laserfrequenzkämmen, eingespeist in einen Spektrographen wie HARPS, erscheint als ein Satz von Emissionslinien mit gleicher Intensität und konstantem Abstand im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Kathodenlampen, deren Linien durch Atomübergänge definiert werden und deren Abstand und Intensität nicht justierbar sind.
[4] Der Dopplereffekt ist eine Frequenzänderung einer Welle für einen Beobachter, der sich relativ zur Quelle der Welle bewegt. Astronomische Spektren setzen sich aus unterschiedlichen Spektrallinien der verschiedenen chemischen Elemente bei wohlbekannten Frequenzen zusammen. Der Dopplereffekt ist nachweisbar, da diese Linien nicht an den Frequenzen liegen, die mit dem Spektrum einer ruhenden Lichtquelle verbunden sind. Durch Anwendung dieser Technik ist es möglich, die Umlaufbahnen von Exoplaneten um die naheliegenden Zentralsterne entfernter Sterne zu rekonstruieren.
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Tobias Wilken
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
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