Pressemitteilung
ALMA und MUSE entdecken einen galaktischen Springbrunnen
6. November 2018
Beobachtungen mit ALMA und dem MUSE-Spektrografen am VLT der ESO haben eine gewaltige Fontäne aus molekularem Gas aufgedeckt. Sie wird von einem Schwarzen Loch in dem hellsten Mitglied des Galaxienhaufens Abell 2597 gespeist. Der vollständige Kreislauf aus Einfall und Ausfluss, der diese riesige kosmische Quelle antreibt, wurde noch nie zuvor in ein und demselben System beobachtet.
Gerade einmal eine Milliarde Lichtjahre entfernt befindet sich in einem vergleichsweise nahen Galaxienhaufen, bekannt als Abell 2597, ein gigantischer galaktischer Springbrunnen. Angetrieben durch ein massereiches Schwarzes Loch im Herzen einer fernen Galaxie wird ein riesiger Strom aus kaltem, molekularem Gas ins All geschleudert, welches in Form einer intergalaktischen Sintflut zurück auf das Schwarze Loch nieder regnet. Einfall und Ausfluss einer solch großen kosmischen Fontäne sind bisher noch nie gemeinsam beobachtet worden. Sie hat ihren Ursprung in den innersten 100.000 Lichtjahren der hellsten Sterneninsel des Abell 2597-Haufens.
„Dies ist möglicherweise das erste System, in dem wir klare Beweise für den Zustrom von kaltem molekularem Gas in Richtung des Schwarzen Lochs zusammen mit ihrem Ausstoß oder Auswurf durch Jets finden, die das Schwarze Loch auslöst“, erklärte Grant Tremblay vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und ehemaligen ESO-Fellow, der diese Studie leitete. „Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum dieser riesigen Galaxie wirkt wie eine mechanische Pumpe in einem Springbrunnen.“
Tremblay und seine Mitarbeiter nutzten ALMA, um die Position und Bewegung von Kohlenmonoxidmolekülen (CO) im Nebel zu erfassen. Diese kalten Moleküle mit Temperaturen von bis zu minus 250-260°C fallen nach innen auf das Schwarze Loch zu. Die Arbeitsgruppe nutzte auch Daten des Instruments MUSE des Very Large Telescope (VLT) der ESO, um wärmeres Gas zu untersuchen, das in Form von Jets, d. h. eng fokussierte Materieströme, nahe dem Schwarzen Loch ausgestoßen wird.
„Die sehr sorgfältige gekoppelte Analyse des Objekts mit Daten von ALMA und MUSE ist einzigartig“, erklärte Tremblay. „Die beiden Instrumente ergeben eine unglaublich starke Kombination.“
Gemeinsam ergeben die beiden Datensätze ein vollständiges Bild dieses Vorgangs: Kaltes Gas fällt auf das Schwarze Loch zu, wird in seiner Nähe stark beschleunigt und durch die Reibung extrem aufgeheizt, bevor es unter hoher Geschwindigkeit mittels Jets als glühendes Plasma in die Leere des Alls zurückgeschleudert wird. Diese Jets schießen aus dem Schwarzen Loch wie ein beeindruckender galaktischer Springbrunnen hervor. Ohne jegliche Hoffnung, dem gravitativen Griff der Galaxie entkommen zu können, kühlt sich das Plasma ab und regnet schließlich zurück auf das Schwarze Loch nieder, wo der Kreislauf erneut beginnt.
Diese beispiellose Beobachtung könnte Aufschluss über den Lebenszyklus von Galaxien geben. Die Wissenschaftler vermuten, dass dieser Prozess nicht nur verbreitet zu sein scheint, sondern auch wesentlich für das Verständnis der Galaxienbildung sein könnte. Während Einfall und Auswurf von kaltem molekularem Gas bereits früher beobachtet wurden, ist dies das erste Mal, dass beide Phänomene innerhalb ein und desselben Systems gefunden wurden. Dies ist der Beleg dafür, dass sie Teil desselben gewaltigen Prozesses sind.
Abell 2597 befindet sich im Sternbild Wassermann und ist nach seiner Mitgliedschaft im Abell-Katalog der galaxienreichen Haufen benannt. Der Katalog enthält ebenfalls den Fornax-Haufen, den Herkules-Haufen und den Pandora-Haufen.
Weitere Informationen
Diese Studie wurde in einem Artikel mit dem Titel "A Galaxy-Scale Fountain of Cold Molecular Gas Pumped by a Black Hole" veröffentlicht, der in The Astrophysical Journal erschien.
Die Arbeitsgruppe besteht aus G. R. Tremblay (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA; Yale Center for Astronomy and Astrophysics, Yale University, New Haven, USA), F. Combes (LERMA, Observatoire de Paris, Sorbonne University, Paris, Frankreich), J. B. R. Oonk (ASTRON, Dwingeloo, Niederlande; Leiden Observatory, Niederlande), H. R. Russell (Institute of Astronomy, Cambridge University, Vereinigtes Königreich), M. A. McDonald (Kavli Institute for Astrophysics and Space Research, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA), M. Gaspari (Department of Astrophysical Sciences, Princeton University, USA), B. Husemann (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), P. E. J. Nulsen (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA; ICRAR, University of Western Australia, Crawley, Australien), B. R. McNamara (Physics & Astronomy Department, Waterloo University, Kanada), S. L. Hamer (CRAL, Observatoire de Lyon, Université Lyon,Frankreich ), C. P. O’Dea (Department of Physics & Astronomy, University of Manitoba, Winnipeg, Kanada; School of Physics & Astronomy, Rochester Institute of Technology, USA), S. A. Baum (School of Physics & Astronomy, Rochester Institute of Technology, USA; Faculty of Science, University of Manitoba, Winnipeg, Kanada), T. A. Davis (School of Physics & Astronomy, Cardiff University, Vereinigtes Königreich), M. Donahue (Physics and Astronomy Department, Michigan State University, East Lansing, USA), G. M. Voit (Physics and Astronomy Department, Michigan State University, East Lansing, USA), A. C. Edge (Department of Physics, Durham University, Vereinigtes Königreich), E. L. Blanton (Astronomy Department and Institute for Astrophysical Research, Boston University, USA), M. N. Bremer (H. W. Wills Physics Laboratory, University of Bristol, Vereinigtes Königreich), E. Bulbul (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), T. E. Clarke (Naval Research Laboratory Remote Sensing Division, Washington, DC, USA), L. P. David (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), L. O. V. Edwards (Physics Department, California Polytechnic State University, San Luis Obispo, USA), D. Eggerman (Yale Center for Astronomy and Astrophysics, Yale University, New Haven, USA), A. C. Fabian (Institute of Astronomy, Cambridge University, Vereinigtes Königreich), W. Forman (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), C. Jones (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), N. Kerman (Yale Center for Astronomy and Astrophysics, Yale University, New Haven, USA), R. P. Kraft (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), Y. Li (Center for Computational Astrophysics, Flatiron Institute, New York, USA; Department of Astronomy, University of Michigan, Ann Arbor, USA), M. Powell (Yale Center for Astronomy and Astrophysics, Yale University, New Haven, USA), S. W. Randall (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), P. Salomé (LERMA, Observatoire de Paris, Sorbonne University, Paris, Frankreich), A. Simionescu (Institute of Space and Astronautical Science [ISAS], Kanagawa, Japan), Y. Su (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), M. Sun (Department of Physics and Astronomy, University of Alabama in Huntsville, USA), C. M. Urry (Yale Center for Astronomy and Astrophysics, Yale University, New Haven, USA), A. N. Vantyghem (Physics & Astronomy Department, Waterloo University, Kanada), B. J. Wilkes (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA) and J. A. ZuHone (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA).
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 16 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist außerdem einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1836de-ch |
Name: | Abell 2597 |
Typ: | Local Universe : Galaxy : Grouping : Cluster |
Facility: | Atacama Large Millimeter/submillimeter Array, Very Large Telescope |
Science data: | 2018ApJ...865...13T |