Pressemitteilung
Ein von Sternen geschaffenes Kunstwerk
18. Mai 2016
Das Gas in diesem neuen Bild stammt noch aus der Phase der letzten Sternentstehung in dieser Region und wird durch das helle Licht der blauen Sterne zum Leuchten angeregt. Dadurch entsteht ein außerordentlich farbenfroher Emissionsnebel mit dem Namen LHA 120-N55, in dem die Sterne von leuchtendem Gas umhüllt sind. Astronomen untersuchen solche Objekte, um mehr über die Bedingungen zu erfahren, unter denen sich neue Sterne bilden können. Aufgenommen wurde das Bild mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO.
LHA 120-N55, oder N55, wie das Objekt meistens genannt wird, ist eine etwa 163.000 Lichtjahre entfernte leuchtende Gaswolke in der Großen Magellanschen Wolke (engl. Large Magellanic Clould, kurz LMC), einer Begleitgalaxie der Milchstraße. N55 liegt innerhalb einer riesigen schalenartigen Struktur namens LMC 4, die auch als Superblase bezeichnet wird. Solche Blasen bilden sich, wenn die starken Winde eines neu entstandenen Sterns zusammen mit den Stoßwellen einer Supernova-Explosion einen Großteil des ursprünglich sie umgebenden Gases und Staubs wegblasen. Die dadurch entstehenden riesigen Gasblasen haben oftmals Hunderte von Lichtjahren im Durchmesser.
Die Materie, aus der sich N55 gebildet hat, schaffte es jedoch als kleine Blase aus Gas und Staub zu überdauern. Heutzutage ist N55 ein eigenständiger Nebel innerhalb der Superblase und besteht aus vielen hellen blauen und weißen Sternen — diese Gruppierung wird auch als LH 72 bezeichnet — die sich Hunderte Millionen Jahre nach den ursprünglichen Ereignissen, aus denen die Superblase entstanden ist, bilden konnten. Die Sterne in LH 72 sind nur wenige Millionen Jahre alt und haben sich erst gebildet, als der Raum um N55 bereits leergefegt war. Somit verkörpern sie die zweite Generation an Sternen, die in dieser Region geboren wurden.
Die Geburt einer neuen Population an Sternen erklärt auch die eindrucksvollen Farben, die die Sterne in diesem Bild umgeben. Durch das intensive Licht der heißen und großen blau-weißen Sterne werden Elektronen aus Wasserstoffatomen gelöst, die sich in der Nähe befinden, wodurch das Gas im sichtbaren Licht charakteristisch blassrosa leuchtet. Anhand dieses leuchtenden Wasserstoffgases können Astronomen die Geburt eines neuen Sterns erkennen.
Während es im Moment in der Sternentstehungsregion N55 noch relativ ruhig zugeht, wird das in mehreren Millionen Jahren ganz anders aussehen. Dann werden die massereichen und leuchtkräftigen Sterne in LH 72 selbst als Supernova explodieren, wodurch die Materie aus N55 verstreut wird. Dadurch wird sich eine Blase innerhalb einer Superblase bilden und der stellare Zyklus aus Tod und Geburt wird im nahen Nachbarn unserer Heimatgalaxie fortgeführt.
Aufgenommen wurde das neue Bild mit dem FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph (FORS2), einem Instrument, das am VLT der ESO angebracht ist. Entstanden ist es im Rahmen des Cosmic Gems-Programms (wörtlich „kosmische Edelsteine“) der ESO, einer Initiative zur Erstellung von astronomischen Aufnahmen für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Programm nutzt hauptsächlich Zeiten, während derer die Beobachtungsbedingungen nicht den strengen Ansprüchen wissenschaftlicher Beobachtungsarbeit genügt, um Bilder von interessanten, faszinierenden oder von Himmelsobjekten anzufertigen, die einfach schön anzusehen sind. Die Bilddaten sind anschließend im wissenschaftlichen Archiv der ESO für jedermann zugänglich. Auch professionelle Astronomen können sie für ihre Zwecke nutzen.
Weitere Informationen
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1616de-ch |
Name: | LHA 120-N 55 |
Typ: | Local Universe : Nebula : Type : Star Formation |
Facility: | Very Large Telescope |
Instruments: | FORS2 |