Pressemitteilung

EVALSO: Eine neue Hochgeschwindigkeits-Datenverbindung zu den chilenischen Observatorien

4. November 2010

Die ESO feiert die Einweihung eines neuen Datenkabels, das sich 100 Kilometer lang durch die chilenische Atacamawüste zieht und damit dem Paranal-Observatorium und dem Observatorio Cerro Armazones neue Möglichkeiten eröffnet. Die Anbindung dieser beiden Einrichtungen an das größte lateinamerikanische wissenschaftliche Basisnetz schließt die letzte Lücke einer „Datenautobahn“, die diese Observatorien nunmehr direkt mit Europa verbindet.

Das neue Kabel ist Teil des EVALSO-Projektes (Enabling Virtual Access to Latin American Southern Observatories, wörtlich “Den virtuellen Zugang zu lateinamerikanischen Südhimmel-Observatorien ermöglichen”, [1]), einem Programm, das von der Europäischen Kommission über das Förderungsprogramm FP7 mitfinanziert [2] und von der italienischen Università degli Studi di Trieste koordiniert wird. An EVALSO sind die ESO, das Observatorio Cerro Armazones (OCA) der Ruhr-Universität Bochum, das chilenische akademische Netzwerk REUNA und weitere Organisationen beteiligt. Zusätzlich zu dem neuen Kabel wurden für das EVALSO-Projekt Nutzungsmöglichkeiten für bereits existierende Infrastruktur eingekauft. Das Ergebnis ist eine extrem schnelle Datenverbindung zwischen dem Paranal und der ESO-Hauptzentrale in Garching bei München.

Projektkoordinator Fernando Liello dazu: “Dieses Projekt war der perfekte Schulterschluss zwischen den Mitgliedern der Kollaboration. Das Ergebnis ist nicht nur eine schnelle Anbindung der beiden Observatorien, sondern es ergeben sich zusätzlich große Vorteile für die akademische Gemeinschaft sowohl in Europa als auch in Lateinamerika.”

Die Standorte Paranal und Armazones sind aufgrund ihrer Höhe über dem Meeresspiegel und dem klaren Himmel fernab der Lichtverschmutzung größerer Städte ideal für astronomische Beobachtungen. Ihre Abgeschiedenheit bedeutet aber auch, dass sie weit weg von bereits existierender Kommunikations-Infrastruktur liegen. Bis zur Fertigstellung der Kabelverbindung waren die beiden Observatorien von einer Mikrowellen-Funkverbindung zu einer Basisstation in der Nähe von Antofagasta abhängig, wenn es galt, wissenschaftliche Daten zu versenden.

Die Teleskope am Paranal-Observatorium der ESO produzieren deutlich mehr als 100 Gigabyte an Daten pro Nacht. Selbst wenn die Dateien komprimiert werden, entspricht das noch immer mehr als 20 DVDs. Die bestehende Verbindung war zwar ausreichend, um die Daten der aktuellen Instrumente am Very Large Telescope (VLT) zu transportieren. Die Übertragungsgeschwindigkeit war freilich zu gering, um den Datenmengen gewachsen zu sein, die das VISTA-Teleskop (Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy, eso0949) oder die nächste Generation an VLT-Instrumenten, die in den nächsten Jahren in Betrieb gehen, generieren.

Die einzig praktikable Möglichkeit, einen Großteil der vom Paranal kommenden Daten zu der ESO-Hauptzentrale zu befördern, bestand bislang darin, sie auf Festplatten abzuspeichern und diese per Luftpost zu verschicken. Daraus ergab sich eine Verzögerung von Tagen oder sogar Wochen, bis Beobachtungen von VISTA zur Auswertung bereitstehen.

Trotz sorgfältiger Einteilung der zur Verfügung stehenden Übertragungsmöglichkeiten und eines ausgeklügelten Datenmanagements, um die Verbindung so effizient wie möglich zu nutzen, konnte es während der Stoßzeiten zu Engpässen kommen. Noch sind daraus zwar keine größeren Schwierigkeiten erwachsen, aber es wird deutlich, dass die Grenzen der ursprünglichen Verbindung erreicht sind.

Das ESO-Observatorium auf dem Paranal wächst immer weiter –  neue Teleskope und Instrumente gehen in Betrieb. Unsere wissenschaftlichen Observatorien von Weltrang benötigen eine Infrastruktur auf dem neuesten Stand der Technik ”, stellt ESO-Generaldirektor Tim de Zeeuw fest.

Anstelle der existierenden, auf 16 Megabit/s begrenzten Verbindung (vergleichbar einer privaten Breitband-ADSL-Leitungen) wird EVALSO eine viel schnellere Leitung mit 10 Gigabit/s zur Verfügung stellen. Bei dieser Geschwindigkeit kann ein kompletter DVD-Film innerhalb weniger Sekunden transferiert werden [3].

Es ist von strategischer Bedeutung, dass die Gemeinschaft der europäischen Astronomen den bestmöglichen Zugang zu den Observatorien der ESO erhält. Das ist einer der Gründe, warum die Europäische Union die Entwicklung der regionalen Dateninfrastruktur für die Wissenschaft in Lateinamerika unterstützt und sie mit GÉANT[4] und anderen Dateninfrastrukturen der EU verknüpft.”, erläutert Mario Campolargo, Direktor der Abteilung “Emerging Technologies and Infrastructure” bei der Europäischen Kommission.

Die deutlich größeren Datenübertragungsraten lassen zu, dass Daten vom Paranal vermehrt in Echtzeit aus der Ferne abgefragt werden können. Dadurch wird es einfacher, die Effizienz des VISTA-Teleskops zu überwachen. Schnellerer Zugriff auf die Daten des VLT ermöglicht außerdem effektivere Qualitätskontrolle. Mit gesteigerten Datenrate werden sich zusätzlich neue Möglichkeiten ergeben, zum Beispiel, dass Astronomen und Techniker an Meetings über High-Definition-Videokonferenzen teilnehmen können, ohne nach Chile reisen zu müssen. Auch wenn in  Zukunft noch datenintensivere Instrumente in Betrieb gehen, wird die Übertragungsrate der neuen Verbindung genügen, um die weiter wachsenden Datenströme vom Paranal und vom Cerro Armazones noch für viele Jahre bewältigen zu können.

Sofortiger Zugriff auf Daten, die sich in großer Entfernung befinden, spart nicht nur Geld und macht die Arbeit des Observatoriums effizienter, sondern erlaubt es auch, zeitnah zu reagieren. Bei unerwarteten und unvorhersagbaren Ereignissen wie Gamma Ray Bursts bleibt oft nicht genügend Zeit für die Astronomen, um zu den Observatorien zu reisen. EVALSO wird den Experten die Möglichkeit geben, bei solchen Ereignissen aus der Ferne zu arbeiten – beinahe so als wären sie persönlich in Chile.

Endnoten

[1] EVALSO wird von dem FP7-Programm der Europäischen Kommission gefördert und ist ein Gemeinschaftsprojekt der Università degli Studi di Trieste (Italien), der ESO, der Ruhr-Universität Bochum, dem Consortium GARR (Gestione Ampliamento Rete Ricerca, Italien), der Universiteit Leiden (Niederlande), dem Istituto Nazionale di Astrofisica (Italien), der Queen Mary University of London (Großbritannien), der Cooperacion Latino Americana de Redes Avanzasas (CLARA) (Uruguay) und von Red Universitaria Nacional (REUNA, Chile).

[2] FP7, das 7. Rahmenprogramm für Forschung und Technische Entwicklung der Europäischen Kommission,  ist das Hauptinstrument der Europäischen Union zur Forschungsfinanzierung. Ziel des Programms ist es, die EU in wichtigen Bereichen von Wissenschaft und Technik weltweit an die Spitze zu bringen bzw. dort zu halten.

[3] Das neu verlegte Kabel ermöglicht eine Datenübertragungsrate von 10 Gigabit/s. Die Gesamtnetzwerkinfrastruktur zwischen Paranal und der Hauptzentrale der ESO in Deutschland kann theoretisch bis zu 1 Gigabit/s übertragen.

[4] GÉANT ist ein europaweites Datennetzwerk speziell für Forschungs- und Bildungszwecke. Es verbindet 40 Millionen Nutzer in 40 verschiedenen Ländern.

Weitere Informationen

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Österreichische Vertreter sind Dr. Thomas Lebzelter (Universität Wien) und Dr. Peter Habison (Astronomie Wien). Die Übersetzungen ins Deutsche werden vom Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg vorgenommen.

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ESO education and Public Outreach Department
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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1043.

Über die Pressemitteilung

Pressemitteilung Nr.:eso1043de-at
Name:Enabling virtual access to Latin-american southern observatories (EVALSO)
Typ:Unspecified : Technology
Facility:Other

Bilder

The EVALSO inauguration
The EVALSO inauguration
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Construction work on EVALSO
Construction work on EVALSO
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Videos

ESOcast 23: A telescope's wire to the world
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