Pressemitteilung
Entfernungsrekord für den Nachweis des Magnetfelds einer Galaxie
6. September 2023
Astronomen haben mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter-Array (ALMA) das Magnetfeld einer Galaxie nachweisen können, die so weit entfernt ist, dass ihr Licht mehr als 11 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen: Wir sehen sie so, wie sie war, als das Universum gerade einmal 2,5 Milliarden Jahre alt war. Das Ergebnis liefert Astronom*innen wichtige Hinweise darauf, wie die Magnetfelder von Galaxien wie unserer eigenen Milchstraße entstanden sind.
Die meisten astronomischen Objekte haben Magnetfelder, egal ob es sich nun um Planeten, Sterne oder Galaxien handelt. "Viele Menschen sind sich wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass die gesamte Milchstraße und andere Galaxien von Magnetfeldern durchzogen sind, die sich über Zehntausende von Lichtjahren erstrecken", bemerkt James Geach, Professor für Astrophysik an der University of Hertfordshire in Großbritannien und Erstautor der heute in Nature veröffentlichten Studie.
"Wir wissen nur sehr wenig darüber, wie sich diese Felder bilden, obwohl sie für die Entwicklung von Galaxien von grundlegender Bedeutung sind", fügt Enrique Lopez Rodriguez, Forscher an der Universität Stanford (USA), hinzu, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Es ist nicht klar, wie früh im Leben des Universums und wie schnell sich Magnetfelder in Galaxien bilden, da Astronom*innen bisher nur Magnetfelder in Galaxien in unserer Nähe kartiert haben.
Jetzt haben Geach und sein Team mit Hilfe von ALMA, an dem die Europäische Südsternwarte (ESO) beteiligt ist, ein vollständig ausgebildetes Magnetfeld in einer weit entfernten Galaxie entdeckt, das in seiner Struktur dem ähnelt, was in nahen Galaxien beobachtet wird. Das Feld ist etwa 1000 mal schwächer als das Magnetfeld der Erde, erstreckt sich aber über mehr als 16.000 Lichtjahre.
"Diese Entdeckung gibt uns neue Hinweise darauf, wie Magnetfelder im galaktischen Maßstab entstehen", erklärt Geach. Die Beobachtung eines voll entwickelten Magnetfelds zu einem so frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums deutet darauf hin, dass sich Magnetfelder, die sich über ganze Galaxien erstrecken, schnell bilden können, also während junge Galaxien noch wachsen.
Das Team glaubt, dass die intensive Sternentstehung im frühen Universum eine Rolle bei der Beschleunigung der Entwicklung der Magnetfelder gespielt haben könnte. Außerdem können diese Felder wiederum beeinflussen, wie sich spätere Generationen von Sternen bilden werden. Rob Ivison, Koautor und ESO-Astronom, ergänzt: "Die Entdeckung öffnet ein neues Fenster ins Innenleben von Galaxien, da die Magnetfelder mit dem Material verbunden sind, aus dem neue Sterne entstehen."
Für diese Entdeckung suchte das Team nach Licht, das von Staubkörnern in einer weit entfernten Galaxie namens 9io9 [1], ausgesandt wurde. Galaxien sind vollgepackt mit Staubkörnern. Wenn ein Magnetfeld vorhanden ist, richtet sich der Staub aus und das von ihnen ausgesandte Licht wird polarisiert. Das bedeutet, dass die Lichtwellen nicht mehr zufällig, sondern entlang einer bevorzugten Richtung schwingen. Als ALMA ein polarisiertes Signal von 9io9 entdeckte und kartierte, wurde das Vorhandensein eines Magnetfeldes in einer sehr weit entfernten Galaxie zum ersten Mal bestätigt.
"Kein anderes Teleskop hätte dies erreichen können", schließt Geach. Man hofft, dass diese und künftige Beobachtungen entfernter Magnetfelder das Geheimnis der Entstehung dieser grundlegenden galaktischen Merkmale zu lüften vermögen.
Endnoten
[1] Die Galaxie 9io9 wurde im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts entdeckt. An der Entdeckung waren die Zuschauer*innen der britischen BBC-Fernsehsendung Stargazing Live beteiligt, bei der das Publikum 2014 drei Nächte lang aufgefordert war, Millionen von Bildern auf der Suche nach fernen Galaxien zu untersuchen.
Weitere Informationen
Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse von J. E. Geach et al. erscheinen demnächst in der Fachzeitschrift Nature.
Die beteiligten Wissenschaftler sind J. E. Geach (Centre for Astrophysics Research, School of Physics, Engineering and Computer Science, University of Hertfordshire, Vereinigtes Königreich [Hertfordshire]), E. Lopez-Rodriguez (Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology, Stanford University, USA), M. J. Doherty (Hertfordshire), Jianhang Chen (Europäische Südsternwarte, Garching [ESO]), R. J. Ivison (ESO), G. J. Bendo (UK ALMA Regional Centre Node, Jodrell Bank Centre for Astrophysics, Department of Physics and Astronomy, The University of Manchester, Vereinigtes Königreich), S. Dye (School of Physics and Astronomy, University of Nottingham, Vereinigtes Königreich) und K. E. K. Coppin (Hertfordshire).
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ist eine internationale astronomische Einrichtung, die gemeinsam von der ESO, der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) der USA und den japanischen National Institutes of Natural Sciences (NINS) in Kooperation mit der Republik Chile betrieben wird. Getragen wird ALMA von der ESO im Namen ihrer Mitgliedsländer, von der NSF in Zusammenarbeit mit dem kanadischen National Research Council (NRC), dem National Science and Technology Council (NSTC) und NINS in Kooperation mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan sowie dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI). Bei Entwicklung, Aufbau und Betrieb ist die ESO federführend für den europäischen Beitrag, das National Radio Astronomy Observatory (NRAO), das seinerseits von Associated Universities, Inc. (AUI) betrieben wird, für den nordamerikanischen Beitrag und das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) für den ostasiatischen Beitrag. Dem Joint ALMA Observatory (JAO) obliegt die übergreifende Projektleitung für den Aufbau, die Inbetriebnahme und den Beobachtungsbetrieb von ALMA.
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James Geach
Centre for Astrophysics Research, University of Hertfordshire
Hatfield, UK
E-Mail: j.geach@herts.ac.uk
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Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology, Stanford University
Stanford, California, USA
E-Mail: elopezrodriguez@stanford.edu
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso2316de |
Name: | 9io9 |
Typ: | Early Universe : Galaxy |
Facility: | Atacama Large Millimeter/submillimeter Array |
Science data: | 2023Natur.621..483G |