Pressemitteilung
Das VLT der ESO beobachtet, wie `Oumuamua zusätzlichen Schub erhält
Neue Messungen deuten darauf hin, dass der interstellare Nomade `Oumuamua ein Komet ist
27. Juni 2018
`Oumuamua, das erste in unserem Sonnensystem entdeckte interstellare Objekt, entfernt sich schneller als erwartet von der Sonne. Eine internationale astronomische Kollaboration hat dieses anomale Verhalten mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile entdeckt. Die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass `Oumuamua höchstwahrscheinlich ein interstellarer Komet und kein Asteroid ist. Die Entdeckung erscheint in der Zeitschrift Nature.
`Oumuamua – das erste interstellare Objekt in unserem Sonnensystem – wird seit seiner Entdeckung im Oktober 2017 intensiv untersucht [1]. Über die Kombination von Daten vom Very Large Telescope der ESO und anderen Observatorien hat ein internationales Astronomenteam festgestellt, dass sich das Objekt schneller bewegt als vorhergesagt. Der gemessene Geschwindigkeitsgewinn ist winzig und `Oumuamua verlangsamt sich immer noch durch den Zug der Sonne – nur nicht so schnell wie von der Himmelsmechanik vorhergesagt.
Das Team unter der Leitung von Marco Micheli (European Space Agency) untersuchte mehrere Szenarien, um die Geschwindigkeit dieses besonderen interstellaren Besuchers zu erklären. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass `Oumuamua durch Sonneneinstrahlung Material von seiner Oberfläche abgibt – ein Verhalten, das als Ausgasen bezeichnet wird [2]. Der Drall dieses ausgestoßenen Materials soll den kleinen, aber stetigen Schub liefern, der `Oumuamua schneller als erwartet aus dem Sonnensystem schießt – am 1. Juni 2018 hat er sich mit rund 114.000 Kilometern pro Stunde bewegt.
Ein solches Ausgasen ist ein für Kometen typisches Verhalten und widerspricht der bisherigen Klassifizierung von `Oumuamua als interstellarer Asteroid. "Wir denken, er ist in Wirklichkeit ein winziger, seltsamer Komet", kommentiert Marco Micheli. "Wir können an den Daten erkennen, dass sein Schub umso geringer wird, je weiter er von der Sonne entfernt ist, was typisch für Kometen ist."
Wenn Kometen von der Sonne erwärmt werden, stoßen sie Staub und Gas aus, das eine Materialwolke – Koma genannt – um sie herum bilden, sowie den charakteristischen Schweif. Das Forscherteam konnte jedoch keine sichtbaren Hinweise auf Ausgasungen feststellen.
"Wir haben keinen Staub, keine Koma oder gar einen Schweif gesehen, was ungewöhnlich ist", erklärt Karen Meech von der University of Hawaii in den USA. Meech leitete die Charakterisierung von `Oumuamua im Jahr 2017. "Wir denken, dass Oumuamua ungewöhnlich große, grobe Staubkörner abgeben kann."
Das Team spekuliert, dass vielleicht die kleinen Staubkörner, die die Oberfläche der meisten Kometen bedecken, während `Oumuamuas Reise durch den interstellaren Raum erodiert sind, so dass nur noch größere Staubkörner übriggeblieben sind. Obwohl eine Wolke dieser größeren Partikel nicht hell genug wäre, um bemerkt zu werden, würde dies die unerwartete Änderung der Geschwindigkeit von `Oumuamua erklären.
Nicht nur `Oumuamuas angenommenes Ausgasen ist ein ungelöstes Geheimnis, gleies gilt für seinen interstellareren Ursprung. Das Team führte ursprünglich die neuen Beobachtungen an `Oumuamua durch, um seine Flugbahn genau zu bestimmen, was hätte erlauben sollen, das Objekt zu seinem ursprünglichen Sternsystem zurückzuverfolgen. Die neuen Ergebnisse machen es schwieriger, diese Informationen zu erhalten.
"Die wahre Natur dieses rätselhaften interstellaren Nomaden mag ein Rätsel bleiben", schließt Teammitglied Olivier Hainaut, Astronom bei der ESO. "`Oumuamuas kürzlich festgestellter Geschwindigkeitsgewinn macht es viel schwieriger, den Weg zurückzuverfolgen, den er von seinem extrasolaren Heimatstern genommen hat."
Endnoten
[1] `Oumuamua, ausgesprochen "oh-MUH-ah-MUH-ah", wurde mit dem Pan-STARRS-Teleskop am Haleakala-Observatorium auf Hawaii entdeckt. Sein Name bedeutet "Kundschafter" auf Hawaiianisch und spiegelt seine Natur als erstes bekanntes Objekt interstellaren Ursprungs wider, das in unser Sonnensystem eingedrungen ist. Die ursprünglichen Beobachtungen zeigten, dass es sich um ein längliches, winziges Objekt handelt, dessen Farbe der eines Kometen ähnelt.
[2] Das Team hat mehrere Hypothesen getestet, um die unerwartete Geschwindigkeitsänderung zu erklären: Die Wissenschaftler analysierten, ob der Strahlungsdruck, der Yarkovsky-Effekt oder reibungsähnliche Effekte die Beobachtungen erklären könnten. Es wurde auch geprüft, ob der Geschwindigkeitsgewinn durch ein Impulsereignis (z.B. eine Kollision), durch `Oumuamua als binäres Objekt oder durch `Oumuamua als magnetisiertes Objekt verursacht worden sein könnte. Die unwahrscheinliche Theorie, dass `Oumuamua ein interstellares Raumschiff ist, wurde ebenfalls abgelehnt: Die Tatsache, dass die sanfte und kontinuierliche Änderung der Geschwindigkeit nicht typisch für Triebwerke ist und dass das Objekt auf allen drei Achsen taumelt, spricht dagegen, dass es ein künstliches Objekt ist.
Weitere Informationen
Die hier vorgestellten Ergebnisse des Wissenschaftlerteams erscheinen am 27. Juni 2018 als wissenschaftlicher Fachartikel mit dem Titel “Non-gravitational acceleration in the trajectory of 1I/2017 U1 (`Oumuamua)” in der Zeitschrift Nature.
Das internationale Astronomenteam, das diese Studie durchgeführt hat, besteht aus Marco Micheli (European Space Agency & INAF, Italy), Davide Farnocchia (NASA Jet Propulsion Laboratory, USA), Karen J. Meech (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Marc W. Buie (Southwest Research Institute, USA), Olivier R. Hainaut (European Southern Observatory, Deutschland), Dina Prialnik (Tel Aviv University School of Geosciences, Israel), Harold A. Weaver (Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, USA), Paul W. Chodas (NASA Jet Propulsion Laboratory, USA), Jan T. Kleyna (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Robert Weryk (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Richard J. Wainscoat (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Harald Ebeling (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Jacqueline V. Keane (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Kenneth C. Chambers (University of Hawaii Institute for Astronomy, USA), Detlef Koschny (European Space Agency, European Space Research and Technology Centre, & TU München) und Anastassios E. Petropoulos (NASA Jet Propulsion Laboratory, USA).
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 15 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist außerdem einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
Links
- Bilder vom VLT
- Fachartikel
- Pressemitteilung zur entdeckung von `Oumuamua
- Pressemitteilung von ESA/Hubble
Kontaktinformationen
Olivier Hainaut
European Southern Observatory
Garching, Germany
Tel: +49 89 3200 6752
E-Mail: ohainaut@eso.org
Marco Micheli
Space Situational Awareness Near-Earth Object Coordination Centre, European Space Agency
Frascati, Italy
Tel: +39 06 941 80365
E-Mail: marco.micheli@esa.int
Karen Meech
Institute for Astronomy, University of Hawaii
Honolulu, USA
Mobil: +1 720 231 7048
E-Mail: meech@IfA.Hawaii.Edu
Richard Hook
ESO Public Information Officer
Garching bei München, Germany
Tel: +49 89 3200 6655
Mobil: +49 151 1537 3591
E-Mail: pio@eso.org
Markus Nielbock (Pressekontakt Deutschland)
ESO Science Outreach Network
und Haus der Astronomie
Heidelberg, Deutschland
Tel: +49 6221 528-134
E-Mail: eson-germany@eso.org
Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1820de |
Name: | 1I/2017 U1 (‘Oumuamua) |
Typ: | Milky Way : Interplanetary Body : Asteroid |
Facility: | Very Large Telescope |
Science data: | 2018Natur.559..223M |
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