Pressemitteilung
ESO-Teleskop fotografiert Planeten um das bisher massereichste Sternpaar
8. Dezember 2021
Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) hat ein Bild eines Planeten aufgenommen, der das mit bloßem Auge sichtbare Doppelsternsystem b Centauri umkreist. Es handelt sich dabei um das heißeste und massereichste Sternsystem, das bisher gefunden wurde. Der Planet umkreist es in einer Entfernung, die 100 Mal so groß ist wie die Entfernung, in der Jupiter die Sonne umkreist. Einige Astronomen und Astronominnen vertraten bisher die Ansicht, dass Planeten in der Nähe von so massereichen und heißen Sternen nicht existieren können - bis jetzt.
„Die Entdeckung eines Planeten um b Centauri hat uns sehr begeistert, da sie das Bild über massereiche Sterne als Heimat von Planeten völlig verändert“, erklärt Markus Janson, Astronom an der Universität Stockholm, Schweden, und Erstautor der neuen Studie, die heute online in Nature veröffentlicht wurde.
Das etwa 325 Lichtjahre entfernte Doppelsternsystem b Centauri (auch bekannt als HIP 71865) hat mindestens die sechsfache Masse der Sonne und ist damit das bei weitem massereichste System, bei dem bisher Planeten nachgewiesen wurden. Bislang wurde noch kein Planet um einen Stern entdeckt, der mehr als dreimal so massereich ist wie die Sonne.
Die meisten massereichen Sterne sind zugleich sehr heiß, und dieses System ist keine Ausnahme: Sein Hauptstern ist ein sogenannter B-Stern, der mehr als dreimal so heiß ist wie die Sonne. Aufgrund seiner hohen Temperatur sendet er große Mengen an ultravioletter und Röntgenstrahlung aus.
Die große Masse und die hohe Temperatur dieses Sterntyps wirken sich stark auf das umgebende Gas aus, was der Entstehung von Planeten entgegenwirken sollte. Je heißer ein Stern ist, desto mehr hochenergetische Strahlung erzeugt er, was dazu führt, dass das umgebende Material schneller verdampft. „B-Sterne gelten im Allgemeinen als ziemlich zerstörerische und gefährliche Umgebungen, sodass man glaubte, dass die Bildung großer Planeten um sie herum äußerst schwierig sein müsste“, erläutert Janson.
Die neue Entdeckung zeigt jedoch, dass sich in solch extremen Sternsystemen tatsächlich Planeten bilden können. „Der Planet von b Centauri ist eine fremdartige Welt in einer Umgebung, die sich völlig von dem unterscheidet, was wir hier auf der Erde und in unserem Sonnensystem erleben“, erklärt die Mitautorin Gayathri Viswanath, eine Doktorandin an der Universität Stockholm. „Es ist eine raue Umgebung, die von intensiver Strahlung beherrscht wird und in der alles in einem gigantischen Maßstab abläuft: die Sterne sind größer, der Planet ist größer, die Entfernungen sind größer.“
In der Tat ist der entdeckte Planet mit dem Namen b Centauri (AB)b oder b Centauri b ebenfalls extrem. Er ist zehnmal so massereich wie Jupiter und damit einer der mächtigsten Planeten, die je gefunden wurden. Darüber hinaus bewegt er sich in einer der weitesten bisher entdeckten Bahnen um das Sternsystem, und zwar in einer Entfernung, die 100 Mal größer ist als die Entfernung des Jupiters von der Sonne. Dieser große Abstand zum zentralen Sternpaar könnte der Schlüssel zum Überleben des Planeten sein.
Diese Ergebnisse wurden dank des hochmodernen Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch-Instruments (SPHERE) am VLT der ESO in Chile möglich. SPHERE hat bereits mehrere Planeten, die andere Sterne als die Sonne umkreisen, erfolgreich abgebildet, darunter auch die erste Aufnahme von zwei Planeten, die einen sonnenähnlichen Stern umkreisen.
SPHERE war jedoch nicht das erste Instrument, das diesen Planeten abbildete. Im Rahmen ihrer Studie untersuchte das Team Archivdaten über das System b Centauri und entdeckte, dass der Planet bereits vor mehr als 20 Jahren vom 3,6-Meter-Teleskop der ESO aufgenommen worden war, obwohl er damals noch nicht als Planet erkannt wurde.
Mit dem Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das noch in diesem Jahrzehnt seine Beobachtungen aufnehmen soll, und mit der Aufrüstung des VLT können Astronomen möglicherweise mehr über die Entstehung und die Eigenschaften dieses Planeten herausfinden. „Es wird eine faszinierende Aufgabe sein, herauszufinden, wie er entstanden sein könnte. Im Moment ist das noch ein Rätsel“, schließt Janson.
Weitere Informationen
Diese Untersuchungen wurden in einem Artikel mit dem Titel „A wide-orbit giant planet in the high-mass b Centauri binary system“ vorgestellt, der in Nature erscheint (DOI: 10.1038/s41586-021-04124-8).
Das Team besteht aus Markus Janson (Abteilung für Astronomie, Universität Stockholm, Schweden [SU]), Raffaele Gratton (INAF Osservatorio Astronomico di Padova, Italien [INAF-Padova]), Laetitia Rodet (Cornell Center for Astrophysics and Planetary Science, Department of Astronomy, Cornell University, USA), Arthur Vigan (Aix-Marseille Université, CNRS, CNES, Laboratoire d'Astrophysique de Marseille, Frankreich [LAM]), Mickaël Bonnefoy (Univ. Grenoble Alpes, CNRS, Insitut für Planetenwissenschaften und Astrophysik, Frankreich [IPAG] und LAM), Philippe Delorme (IPAG), Eric E. Mamajek (Jet Propulsion Laboratory, California Institute of Technology, USA [JPL]), Sabine Reffert (Landessternwarte, Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, Deutschland [ZAH]), Lukas Stock (ZAH und IPAG), Gabriel-Dominique Marleau (Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen, Deutschland; Physikalisches Institut, Universität Bern, Schweiz [UNIBE]; Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland [MPIA]), Maud Langlois (Centre de Recherche Astrophysique de Lyon [CRAL], CNRS, Université Lyon, Frankreich), Gaël Chauvin (Unidad Mixta Internacional Franco-Chilena de Astronomía, CNRS/INSU und Departamento de Astronomía, Universidad de Chile, Santiago, Chile, und CRAL), Silvano Desidera (INAF-Padova), Simon Ringqvist (SU), Lucio Mayer (Zentrum für Theoretische Physik und Kosmologie, Institut für Computational Science, Universität Zürich, Schweiz [CTAC]), Gayathri Viswanath (SU), Vito Squicciarini (INAF-Padova, Institut für Physik und Astronomie „Galileo Galilei“, Universität Padova, Italien), Michael R. Meyer (Department of Astronomy, University of Michigan, USA), Matthias Samland (MPIA, SU), Simon Petrus (IPAG), Ravit Helled (CTAC), Matthew A. Kenworthy (Leiden Observatory, Leiden University, Niederlande), Sascha P. Quanz (ETH Zürich, Institut für Teilchenphysik und Astrophysik, Schweiz [ETH Zürich]), Beth Biller (Scottish Universities Physics Alliance, Institute for Astronomy, Royal Observatory, University of Edinburgh, UK), Thomas Henning (MPIA), Dino Mesa (INAF-Padova), Natalia Engler (ETH Zürich), Joseph C. Carson (College of Charleston, Department of Physics & Astronomy, USA).
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope, VISTA, das im Infraroten arbeitet, und das VLT Survey Telescope für sichtbares Licht. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso2118de-at |
Name: | b Centauri |
Typ: | Milky Way : Star : Circumstellar Material : Planetary System |
Facility: | Very Large Telescope |
Instruments: | SPHERE |
Science data: | 2021Natur.600..231J |