Pressemitteilung
Sternentstehungs-Höhle mit Profil
1. Februar 2012
Die Europäische Südsternwarte präsentiert eine neue Aufnahme der Sternenkinderstube NGC 3324, die mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium in Chile aufgenommen wurde. Die intensive Ultraviolettstrahlung, die einige der heißen, jungen Sterne in NGC 3324 aussenden, bringt die Gaswolke dazu, in kräftigen Farben zu leuchten, und hat zudem einen Hohlraum in der umgebenden Gas- und Staubwolke geschaffen.
NGC 3324 befindet sich in einer Entfernung von etwa 7200 Lichtjahren im südlichen Sternbild Carina (der Schiffskiel, ein Teil des ehemaligen, größeren Sternbilds Argo Navis, dem Schiff des Jason). Der junge Sternhaufen befindet sich am nördlichen Rand des Carinanebels, dessen chaotische Struktur durch mehrere solcher Sternentstehungsgebiete geformt wurde (eso0905). Vor etwa drei Millionen Jahren begann in der Gegend von NGC 3324, in der besonders viel Gas und Staub zur Verfügung steht, eine Episode intensiver Sternentstehung. Dabei bildeten sich auch einige sehr heiße, massereiche Sterne, die in der Aufnahme deutlich zu sehen sind.
Die Sternwinde und die intensive Strahlung dieser jungen Sterne haben einen Hohlraum in die umgebende Gas- und Staubwolke geblasen. Deutlichstes Anzeichen dafür ist die wandartige Struktur rechts von der Bildmitte. Die Ultraviolettstrahlung der heißen, jungen Sterne entreißt dabei den Wasserstoffatomen des Gases in ihrer Umgebung die Elektronen; anschließend werden die Elektronen wieder eingefangen und fallen schrittweise in niedrigere Energiezustände zurück. So kommt ein charakteristisch purpurfarbenes Leuchten zustande, das die Ausdehnung der ionisierten Gaswolke absteckt. Weitere Farben im Bild stammen von anderen chemischen Elementen. So ist zum Beispiel zweifach ionisierter Sauerstoff ür das grünlich-gelbe Leuchten der zentralen Nebelregionen verantwortlich.
Ähnlich wie bei Wolken am irdischen Himmel lassen sich auch in kosmischen Wolken mit etwas Phantasie wohlbekannte Formen und Gestalten ausmachen. In diesem Falle ähnelt der Rand der Gas- und Staubwand in der rechten Bildhälfte dem Profil eines menschlichen Gesichts, wobei der “Hügel” im Zentrum der Nase entsprechen würde – genauer: dem Gesicht der chilenischen Literatur-Nobelpreisträgerin Gabriela-Mistral, nach der NGC 3324 bisweilen auch Gabriela-Mistral-Nebel genannt wird [1].
Das Auflösungsvermögen des Wide Field Imager am MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO macht in diesem Bild viele dunkle Strukturen in NGC 3324 sichtbar: Staub, der das Leuchten des Gases im Hintergrund abschirmt und so Schattenrisse erzeugt, die dem Anblick des Nebels zusätzliche Struktur und Tiefe verleihen.
Auch das scharfe Auge des Hubble Space Telescope wurde bereits auf NGC 3324 gerichtet. Hubble kann zwar noch feinere Details auflösen als der Wide Field Imager, hat allerdings ein ungleich kleineres Gesichtsfeld – ein direktes Beispiel dafür, wie sich Teleskope mit unterschiedlich großem Gesichtsfeld im Zusammenspiel ergänzen können.
Endnoten
[1] Nähere Erläuterungen und ein Vergleichsbild mit einem Portrait von Gabriela Mistral finden sich auf der Webseite des Amateurastronomen Daniel Verschatse.
Weitere Informationen
Das MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop wurde 1984 in Betrieb genommen und ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft an die ESO. Sein Wide Field Imager, eine astronomische Kamera mit besonders großem Blickfeld und einem Detektor mit 67 Millionen Pixeln, liefert Bilder, die nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von ästhetischem Wert sind.
Im Jahr 2012 feiert die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) das 50-jährige Jubiläum ihrer Gründung. Die ESO ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop der 40-Meter-Klasse für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird, das European Extremely Large Telescope (E-ELT).
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1207de-at |
Name: | Eta Carinae, NGC 3324 |
Typ: | Milky Way : Nebula |
Facility: | MPG/ESO 2.2-metre telescope |
Instruments: | WFI |