Pressemitteilung
VISTA enthüllt das Geheimnis des Einhorns
6. Oktober 2010
Eine neue Infrarotaufnahme des ESO-Durchmusterungsteleskops VISTA lüftet im Sternbild Monoceros (das Einhorn) den Schleier über einer außergewöhnlichen Landschaft aus leuchtenden Gasmassen, dunklen Staubwolken und jungen Sternen. Es handelt sich um die Sternentstehungsregion Monoceros R2, die in eine riesige Dunkelwolke aus Molekülen und Staubteilchen eingebettet ist. Das ganze Gebiet ist im sichtbaren Licht fast vollständig durch interstellaren Staub verschleiert, aber im Infraroten klar und deutlich sichtbar.
Von der Erde ausgesehen ist Monoceros R2 direkter Nachbar des Orionnebels, einer weit bekannteren Sternentstehungsregion. Allerdings ist Monoceros R2 aber doppelt so weit von der Erde entfernt, nämlich rund 2700 Lichtjahre. Im sichtbaren Licht sieht man von dieser Region eine Gruppe massereicher, heißer Sterne samt zugehöriger Reflexionsnebel – flächiger Gebilde, die entstehen, wo das bläuliche Licht der Sterne an Teilen der dunklen und nebelhaften äußeren Schichten der Molekülwolke gestreut wird. Die meisten der neu geborenen Sterne bleiben herkömmlichen Teleskopen verborgen, denn der dichte interstellare Staub absorbiert so gut wie alles ultraviolette und sichtbare Licht, das sie aussenden.
Das Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (etwa “Astronomisches Durchmusterungsteleskop für das sichtbare und und infrarote Licht”, kurz VISTA [1], eso0949) am Paranal-Observatorium der ESO in Nordchile kann den dunklen Vorhang aus kosmischem Staub dank seiner Fähigkeit, Infrarotlicht zu beobachten, durchdringen. Seine Bilder zeigen komplexe Strukturen, die durch die Wechselwirkung der intensiven Strahlung und der starken Teilchenströme („Sternwind“) der jungen Sterne mit dem Staub der Molekülwolke – ein kosmisches Netzwerk von Schlaufen, Bögen und Filamenten.
In den Worten von Jim Emerson von der Queen Mary University in London, dem Leiter des VISTA-Konsortiums: “Als ich das Bild zum ersten Mal sah, dachte ich nur: ‘Wow!’ Ich war begeistert, dass man die Staubbänder, die Monoceros R2 durchziehen, so deutlich sehen kann – außerdem, die „Jets“, die von den dicht umhüllten, jungen Sternen ausgehenden gebündelten Materieströme. Die VISTA-Bilder zeigen unglaublich viele interessante Details.“
Dank seines riesigen Gesichtsfelds, des großen Hauptspiegels und der hochempfindlichen Kamera ist VISTA ideal dafür geeignet, detailscharfe Aufnahmen von großen Himmelsfeldern wie der Region um Monoceros R2 zu machen, in denen auch leuchtschwache Objekte klar sichtbar werden. In einer Entfernung wie der von Monoceros R2 zeigt eine VISTA-Aufnahme eine Region mit einem Durchmesser von rund 80 Lichtjahren. Im Infraroten ist Staub zum größten Teil durchsichtig, so dass mit VISTA viele junge Sterne sichtbar werden, die im sichtbaren Licht unerkannt bleiben. Die massereichsten dieser Sterne sind weniger als zehn Millionen Jahre alt.
Das Bild ist eine Falschfarbendarstellung, die aus Einzelaufnahmen in drei verschiedenen Bereichen des nahinfraroten Spektralbereiches erstellt wurde. In Molekülwolken wie Monoceros R2 sind die Temperaturen so gering und die Dichten so hoch, dass Atome sich zu Molekülen zusammenfinden können, etwa zu molekularem Wasserstoff, die unter geeigneten Bedingungen im Nahinfraroten hell leuchten. Bei den meisten der in der VISTA-Aufnahme rosa und rötlich dargestellten Strukturen dürfte es sich um das Glimmen von molekularem Wasserstoff in den Materieströmen junger Sterne handeln.
Monoceros R2 hat einen dichteren Kernbereich mit einer Ausdehnung von weniger als zwei Lichtjahren, in dem sich massereiche Sterne zusammendrängen. Dort findet sich auch eine Ansammlung von hellen Infrarotlichtquellen, bei denen es sich überwiegend um neu geborene massereiche Sterne handelt, die noch immer von dichten Staubscheiben umgeben sind. Dieser Bereich befindet sich in der Bildmitte. Dort zeigt sich eine deutliche Konzentration von Sternen. Die auffälligen rötlichen Strukturen deuten auf Strahlung von molekularem Wasserstoff hin.
Die helle Wolke rechts von der Bildmitte ist NGC 2170, der auffälligste Reflexionsnebel in dieser Gegend. Im sichtbaren Licht wirken diese Nebel wie hellblaue Inseln in einem dunklen Ozean. Im Infrarotlicht dagegen kommen hektisch arbeitende Sternfabriken zum Vorschein, in denen Hunderte von massereichen Sternen entstehen. NGC 2170 ist mit kleinen Teleskopen noch gerade eben so zu erkennen und wurde 1784 von Wilhelm Herschel von England aus entdeckt.
Sterne bilden sich in einem Prozess, der typischerweise einige Millionen Jahre dauert, und der im Inneren von großen interstellaren Gas- und Staubwolken mit Ausdehnungen von Hunderten von Lichtjahren stattfindet. Da der Staub für sichtbares Licht undurchlässig ist, sind Infrarot- und Radiobeobachtungen für das Verständnis der allerersten Stadien der Sternentwicklung unverzichtbar. VISTA sammelt jede Nacht rund 300 Gigabyte an Daten und sucht den Südhimmel systematisch nach Regionen ab, die dann mit dem Very Large Telescope (VLT), dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und in Zukunft mit dem European Extremely Large Telescope (E-ELT) genauer untersucht werden können.
Endnoten
[1] Mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 4,1 Metern ist VISTA das größte Durchmusterungsteleskop auf der Erde. Von allen Teleskopen weltweit ist es mit der größten Infrarotkamera ausgestattet: Sie hat 67 Megapixel. Die Hauptaufgabe von VISTA sind Himmelsdurchmusterungen, bei denen große Bereiche des Himmels Stück für Stück beobachtet werden. Anfang 2010 hat das Teleskop damit begonnen. VISTA befindet sich auf dem Nachbargipfel des Cerro Paranal in Nordchile, dem Standort des Very Large Telescope der ESO, und profitiert von denselben hervorragenden Beobachtungsbedingungen. Der Cerro Armazones, der etwa 20 km vom Paranal entfernt ist, wurde kürzlich aufgrund der extrem guten Himmelsqualität in dieser Region der Atacama-Wüste – einer der trockensten Gegenden der Erde – als Standort für das zukünftige E-ELT auserkoren.
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Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Österreichische Vertreter des Netzwerks sind Dr. Thomas Lebzelter (Universität Wien) und Dr. Peter Habison (Astronomie Wien).
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1039de-at |
Name: | Monoceros R2 |
Typ: | Milky Way : Nebula : Type : Star Formation |
Facility: | Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy |
Instruments: | VIRCAM |