Pressemitteilung
Portrait einer Sternfamilie demonstriert technische Spitzenleistung
3. Dezember 2009
Ein jetzt von der ESO veröffentlichtes Bild zeigt den jungen Sternhaufen Trumpler 14 so detailreich wie nie zuvor. Die Detailschärfe des Portraits, dass die Eigenschaften einer ganzen Familie von Sternen offenbart, ist dem Multi-conjugate Adaptive optics Demonstrator (MAD) zu verdanken, einem Instrument am Very Large Telescope der ESO. Mit so genannter adaptiver Optik können Astronomen Bildverzerrungen ausgleichen, die aufgrund der Erdatmosphäre entstehen; dies ist das bislang größte Himmelsareal, das mit dieser Technik scharf abgebildet werden konnte.
Unter Astronomen ist der Carinanebel, der sich am Südhimmel im Sternbild “Kiel des Schiffs” befindet und rund 8000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, vor allem als Heimat des Sterns Eta Carinae bekannt – einem der aktivsten und massereichsten Sterne unserer Galaxie. Doch der Nebel hat noch mehr zu bieten, unter anderem eine Reihe massereicher Haufen von jungen Sternen. Der jüngste davon, mit der Bezeichnung Trumpler 14, ist weniger als eine Million Jahre alt – auf kosmischen Zeitskalen nicht mehr als ein Augenzwinkern.
Nun ist es einem Team von Astronomen unter der Leitung von Hugues Sana gelungen, beeindruckend scharfe Bilder der Zentralregion von Trumpler 14 anzufertigen. Dazu verwendeten die Astronomen den Multi-conjugate Adaptive optics Demonstrator (MAD, wörtlich das “Demonstrationsexperiment für multikonjugierte Adaptive Optik”), der am Very Large Telescope (VLT) der ESO installiert ist. Adaptiven Optik ermöglicht es, einen Großteil der störenden Verzerrungseffekte zu beseitigen, die sich ergeben, weil das Licht ferner astronomischer Objekte zunächst die Erdatmosphäre passieren muss, bevor es bodengebundene Teleskope erreicht. Mit MAD lässt sich dieses Korrekturverfahren auf größere Himmelsausschnitte anwenden als jemals zuvor; das Resultat sind kristallklare Bilder mit großem Blickfeld [1].
Dank der hohen Qualität der MAD-Bilder gelang es den Astronomen, wichtige neue Informationen über den Sternhaufen zu gewinnen. Sie fanden heraus, dass Trumpler 14 nicht nur der jüngste der Sternhaufen im Carinanebel ist – die Abschätzung auf Basis der neuen Daten ergibt ein Alter von lediglich 500 000 Jahren –, sondern auch einer der sternreichsten: Obwohl der Durchmesser des Haufens nur rund sechs Lichtjahre beträgt, entsprechend dem Anderthalbfachen der Entfernung der Sonne vom nächsten Nachbarstern, konnten die Astronomen darin rund 2000 Einzelsterne zählen, mit Massen von einem Zehntel bis zu einigen Dutzend Mal der Sonnenmasse.
Der auffälligste Stern des Haufens ist der Superriese HD 93129A, einer der hellsten Sterne in unserer Heimatgalaxie. Dieser Stern besitzt rund 80 Mal soviel Masse wie unsere Sonne und leuchtet um den Faktor zweieinhalb Millionen heller! Zusammen mit einem weiteren hellen, massereichen Stern bildet HD 93129 A ein Doppelsternsystem. Astronomen wissen seit einiger Zeit, dass besonders massereiche Sterne häufig in Doppelsternsystemen anzutreffen sind, und zwar bevorzugt in Systemen, in denen gleich zwei massereiche Sterne einander umkreisen.
Trumpler 14 bietet ein beeindruckendes Bild. Zu sehen sind gleich eine ganze Reihe bläulich-weißer, heißer, massereicher Sterne, deren intensives Ultraviolettlicht und starke Teilchenströme die umgebende Materie – Gas und Staub – aufheizen. Solche massereichen Sterne verbrennen binnen kurzer Zeit ihren Brennstoffvorrat an Wasserstoff, je massereicher der Stern, desto kürzer seine Lebenszeit. Einige dieser Riesen werden ihr Leben bereits in wenigen Millionen Jahren beenden – verglichen mit den rund 10 000 Millionen Jahre Lebenszeit, die für unsere Sonne veranschlagt wird, eine sehr kurze Zeitspanne. Am Ende des Sternenlebens dieser Riesen stehen gewaltige, hell aufleuchtende Supernova-Explosionen.
Für ansprechenden Farbkontrast sorgen orangefarbene Sterne, die in den Sternhaufen Trumpler 14 eingesprengselt scheinen. Allerdings gehören diese Sterne gar nicht zu dem Sternhaufen, sondern stehen von der Erde aus gesehen hinter Trumpler 14. Ihre orangene Farbe erklärt sich daraus, dass die bläulichen Anteile ihres Lichts in den Staub- und Gaswolken des Sternhaufens besonders stark gestreut werden.
Die Technologie, dank derer MAD die störenden Effekte der Erdatmosphäre über ein großes Bildfeld hinweg ausgleichen kann, wird eine Schlüsselrolle für den erfolgreichen Betrieb der Riesenteleskope der nächsten Generation spielen, etwa des European Extremely Large Telescope (E-ELT).
Endnoten
[1] Beobachtungen durch bodengebundene Teleskope werden durch turbulente Luftströmungen in der Atmosphäre empfindlich gestört. Diese Turbulenzen sind für das romantische Funkeln der Sterne verantwortlich – den Astronomen verderben sie in ganz unromantischer Weise die Arbeit, denn sie verwischen die feinen Details astronomischer Abbildungen. Mit Hilfe der Adaptiven Optik (AO) lassen sich diese Störungen weitgehend ausgleichen, so dass auch erdgebundene Teleskope so detailscharfe Bilder produzieren können wie sonst nur Weltraumteleskope, also Teleskope, die sich außerhalb der Erdatmosphäre befinden. Kernstück eines AO-Systems ist ein verformbarer Spiegel, mit dessen Hilfe die durch die atmosphärischen Turbulenzen verursachten Bildverzerrungen ausgeglichen werden. Gesteuert werden die Verformungen des Spiegels durch ein Computersystem, das laufend Daten eines so genannten Wellenfrontsensors auswertet. Dieser Sensor überwacht das Bild eines Referenzsterns: er misst, wie die atmosphärischen Störungen das Bild des Referenzsterns verzerren, und einige hundert Male pro Sekunde wird aus diesen Messdaten berechnet, wie der Spiegel verformt werden muss, um die beobachteten Verzerrungen auszugleichen. Bei herkömmlichen AO-Systemen darf das zu beobachtende Objekt allerdings nicht weit von dem Referenzstern entfernt sein – typischerweise 15 Bogensekunden oder weniger; andernfalls misslingt der Ausgleich. Multikonjugierte Optik wurde entwickelt, um diese Beschränkungen zu überwinden: MAD beobachtet statt eines einzigen gleich drei Referenzsterne. So ist es möglich, die atmosphärischen Störungen in einem rund dreißig Mal größeren Himmelsbereich auszugleichen als mit nur mit einem einzigen Referenzstern. (Für weitere Informationen [in englischer Sprache], siehe ESO PR 19/07.)
Weitere Informationen
Die hier geschilderten Ergebnisse erscheinen als Fachartikel in Astronomy and Astrophysics erscheinen (“A MAD view of Trumpler 14”, H. Sana et al.).
Das Forscherteam besteht aus H. Sana, Y. Momany, M. Gieles, G. Carraro, Y. Beletsky, V. Ivanov, G. De Silva und G. James (ESO). H. Sana ist seither zur Universität Amsterdam gewechselt.
Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, und VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Links
- Weitere Informationen: adaptive optics public web page
- Fachartikel: http://staff.science.uva.nl/~hsana/research_tr14.html
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso0947de-at |
Legacy ID: | PR 47/09 |
Name: | Trumpler 14 |
Typ: | Milky Way : Star : Grouping : Cluster : Open |
Facility: | Very Large Telescope |
Instruments: | ESO Multi-conjugate Adaptive optics Demonstrator (MAD) |
Science data: | 2010A&A...515A..26S |