Pressemitteilung
Die lodernden Flammen der Beteigeuze
Neue Aufnahmen zeigen rund um den bekannten Riesenstern ausgedehnte Nebel
23. Juni 2011
Mit dem Instrument VISIR am Very Large Telescope (VLT) der ESO ist es Astronomen gelungen, die Nebelgebiete, die den Riesenstern Beteigeuze umgeben, detaillierter als je zuvor abzubilden. Ihre Struktur erinnert an lodernde Flammen, die von dem Stern ausgehen. Tatsächlich bildet sich der Nebel aus Teilen der Atmosphäre des Sterns, die Beteigeuze an seine Umgebung abgibt.
Der Riesenstern Beteigeuze im Sternbild Orion, ein so genannter roter Überriese, ist nicht nur einer der hellsten Sterne am Nachthimmel. Er ist mit einem Durchmesser, der in etwa der Umlaufbahn des Planeten Jupiter in unserem Sonnensystem entspricht und damit knapp viereinhalb Mal so groß ist wie die Umlaufbahn der Erde, zudem einer der größten Sterne überhaupt. Eine Aufnahme mit dem Very Large Telescope der ESO zeigt nun, dass Beteigeuze von einem Nebel umgeben ist, der noch einmal bedeutend größer ist als der Stern selbst. Der Nebel erstreckt sich bis zu 60 Milliarden Kilometer weit von der Sternoberfläche aus ins Weltall – das entspricht etwa 400 mal dem Abstand Erde-Sonne.
Rote Überriesen wie Beteigeuze befinden sich in einem der letzten Entwicklungsstadien des Lebens massereicher Sterne. In diesem kurzen Lebensabschnitt nimmt der Durchmesser des Sterns dramatisch zu und er stößt seine äußeren Schichten ab, so dass mehr und mehr Materie in seine Umgebung abströmt. Innerhalb von nur 10.000 Jahren kann der Stern soviel Masse verlieren wie insgesamt in unserer Sonne enthalten ist.
Für den Massenverlust von Sternen wie Beteigeuze sind zwei ineinandergreifende Prozesse verantwortlich: Zunächst einmal kommt es in der Atmosphäre des Sterns zu ständigen Auf- und Abbewegungen großer Gasblasen, ähnlich dem Brodeln von kochendem Wasser in einem Topf (eso0927). Diese so genannte Konvektion fürt zum Ausstoß riesiger Gaswolken, die sich von der Sternoberfläche aus nach außen hin erstrecken. Obwohl diese Blasen ungleich kleiner sind als die jetzt detailliert abgebildeten Nebel, gelang ihr Nachweis bereits in einer früheren Studie mit dem Instrument NACO am VLT [1].
Die Auswertung der neuen Beobachtungsdaten hat ergeben, dass die Gaswolken, die man nah am Stern gefunden hat, in Verbindung zu den mit VISIR abgebildeten Strukturen im Außenbereich des Nebels stehen dürften. Für die Aufnahme waren Beobachtungen im Infrarotlicht nötig, da das für das menschliche Auge sichtbare Licht des Nebels von dem des Sterns komplett überstrahlt wird. Die unregelmäßige und asymmetrische Form des Nebels liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass Beteigeuze ihre äußeren Schichten nicht völlig gleichmäßig abgestoßen hat. Die Gasblasen und die ausgestoßenen Wolken sind wahrscheinlich verantwortlich für die klumpige Struktur des Nebels.
Das in der Aufnahme sichtbare Material besteht zum größten Teil aus Silikaten und Aluminiumstaub. Seine Zusammensetzung ähnelt jener der Erdkruste und der Oberflächen der anderen Gesteinsplaneten im Sonnensystem. Die Silikate in der Erdkruste wurden vor langer Zeit von einem längst vergangenen Überriesenstern ähnlich der Beteigeuze gebildet.
Das Bild zeigt auch die älteren NACO-Daten im gleichen Maßstab als Inset in der Bildmitte. Der kleine rote Kreis im Zentrum entspricht dem viereinhalbfachen Abstand Erde-Sonne und stellt die Ausdehnung der sichtbaren Oberfläche von Beteigeuze dar. Der hinter der schwarzen Scheibe liegende Teil des Bildes wurde ausgeblendet, da seine große Helligkeit sonst die vergleichsweise schwach leuchtenden Nebelteile überstrahlen würde. Die VISIR-Bilder wurden durch verschiedene Filter für verschiedene Wellenlängen des infraroten Spektralbereichs aufgenommen. Die in diesem Falschfarben Bild als blau wiedergegebene Strahlung entspricht den kürzeren, rot den längeren Wellenlängen des gemessenen Infrarotlichts. Das Gesichtsfeld der Aufnahme hat eine Kantenlänge von 5,63 x 5,63 Bogensekunden.
Endnoten
[1] Das Infrarotinstrument NACO besteht aus zwei Komponenten: der adaptiven Optik NAOS (Nasmyth Adaptive Optics System) und CONICA (COudé Near-Infrared CAmera), einer Kombination aus Kamera und Spektrograph, die jeweils von einem französischen Konsortium und von den Max-Planck-Instituten für Astronomie in Heidelberg und für Extraterrestrische Physik in Garching in Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt wurden. NACO ermöglicht die Gewinnung von Bildern und Spektren sowie koronographische Beobachtungen und Polarimetrie im nahinfraroten Spektralbereich unter Verwendung von Adaptiver Optik, mit der sich Störeffekte elimieren lassen, die durch die Erdatmosphäre verursacht werden.
Weitere Informationen
Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse von Kervella et al. erscheinen demnächst unter dem Titel “The close circumstellar environment of Betelgeuse - Diffraction-limited spectro-imaging from 7.76 to 19.50 μm with VLT/VISIR”, in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
Die beteiligten Wissenschaftler sind P. Kervella (Observatoire de Paris, Frankreich), G. Perrin (Observatoire de Paris), A. Chiavassa (Université Libre de Bruxelles, Belgien), S. T. Ridgway (National Optical Astronomy Observatories, Tucson, USA), J. Cami (University of Western Ontario,Canada; SETI Institute, Mountain View, USA), X. Haubois (Universidade de Sao Paulo, Brasilien) und T. Verhoelst (Instituut voor Sterrenkunde, Leuven, Niederlande).
Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop der 40-Meter-Klasse für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird, das European Extremely Large Telescope (E-ELT).
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Links
- Fachartikel (englisch)
- Fotos vom Very Large Telescope
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LESIA, Observatoire de Paris / CNRS, Université Pierre et Marie Curie / Université Denis Diderot (Paris 7)
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1121de |
Name: | Betelgeuse |
Typ: | Milky Way : Star : Evolutionary Stage : Red Supergiant |
Facility: | Very Large Telescope |
Instruments: | NACO, VISIR |
Science data: | 2011A&A...531A.117K |