Pressemitteilung
Ein Exoplanet wechselt die Seite
10. Juni 2010
München (Europäische Südsternwarte): Erstmals ist es Astronomen geglückt, direkt zu verfolgen, wie ein Exoplanet auf seiner Umlaufbahn von einer Seite seines Muttersterns auf die andere wechselt. Der Exoplanet, Beta Pictoris b, hat von allen Exoplaneten, die man bislang direkt abbilden konnte, die Umlaufbahn mit dem geringsten Durchmesser. Sein Abstand von seinem Mutterstern entspricht in etwa dem Abstand des Planeten Saturn von der Sonne. Die Astronomen glauben, dass Beta Pictoris b auf ähnliche Art und Weise entstanden sein könnte wie die großen Gasplaneten in unserem Sonnensystem. Die Entdeckung von Beta Pictoris b beweist außerdem, dass solche Gasriesen sich innerhalb von nur wenigen Millionen Jahren in den Gas- und Staubscheiben um junge Sterne wie Beta Pictoris bilden können – für astronomische Verhältnisse ein äußerst kurzer Zeitraum.
Beta Pictoris ist etwa 12 Millionen Jahre alt, und damit nur rund ein Dreitausendstel so alt wie unsere Sonne. Der Stern besitzt 75% mehr Masse als die Sonne und ist rund 60 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt. Er ist der zweihellste Stern im Sternbild Pictor (der Maler) und eines der bekanntesten Beispiele für einen Stern, der von einer Staubscheibe umgeben ist [1]. Frühere Beobachtungen hatten bereits gezeigt, dass diese Scheibe eine Ausbuchtung aufweist. Zudem konnte eine zweite Scheibe nachgewiesen werden, die relativ zur ersten leicht geneigt ist. Außerdem hat man kometenartige Körper beobachtet, die auf den Stern fallen und verdampfen. “All diese Phänomene waren indirekte, aber sehr deutliche Anzeichen dafür, dass es um Beta Pictoris einen einen großen Planeten geben müsste. Unsere Beobachtungen haben diesen Verdacht nun definitiv bestätigt”, erklärt Anne-Marie Lagrange, die das Team der Astronomen leitet, die Beta Pictoris untersucht haben. “Außerdem zeigen unsere Ergebnisse, dass große Gasplaneten in den Scheiben um so junge Sterne wie Beta Pictoris in einem Zeitraum von nur wenigen Millionen Jahren entstanden sein müssen.”
Neueren Beobachtungen zufolge sollten sich diese Scheiben nur wenige Millionen Jahre nach der Entstehung des Sterns auflösen, so dass die Bildung der großen Planeten in den Scheiben viel schneller ablaufen müsste, als bislang angenommen wurde. Am Beispiel von Beta Pictoris ist nun erwiesen, dass dieses Szenario rascher Planetenbildung tatsächlich möglich ist.
Das Astronomenteam nutzte in den Jahren 2003, 2008 und 2009 das Infrarotinstrument NAOS-CONICA (kurz NACO [2]), das an einem der vier 8,2 m-Teleskope am Very Large Telescope (VLT) der ESO betrieben wird, um die unmittelbare Umgebung von Beta Pictoris zu untersuchen. Auf der Aufnahme von 2003 ist eine schwache Lichtquelle innerhalb der Scheibe zu sehen (eso0842). Es konnte zu jenem Zeitpunkt aber nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um einen Hintergrundstern handelt. Auf den Aufnahmen von 2008 und vom Frühling 2009 war der Lichtpunkt nicht zu erkennen. Auf den jüngsten Aufnahmen vom Herbst 2009 taucht das Objekt nun auf der anderen Seite des Sterns wieder in der Scheibe auf. In der Zwischenzeit wurde es vom hellen Leuchten von Beta Pictoris überstrahlt und befand sich von der Erde aus gesehen entweder genau vor dem Stern oder dahinter. Mit den neuen Beobachtungen ist nachgewiesen, dass das Leuchten tatsächlich von einem Exoplaneten stammt, der Beta Pictoris umkreist. Die Beobachtungen erlauben außerdem Rückschlüsse auf die Größe der Umlaufbahn dieses Planeten.
Bislang hat man ein knappes Dutzend extrasolares Planeten direkt abbilden können. Unter ihnen ist der Planet um Beta Pictoris, der die Bezeichnung “Beta Pictoris b” erhalten hat, derjenige mit der kürzesten Umlaufbahn. Seine Entfernung zu seinem Mutterstern ist 8 bis 15 mal so groß wie die Entfernung der Erde von der Sonne. Diese 8 bis 15 “Astronomischen Einheiten” entsprechen in etwa der Entfernung des Planeten Saturn von der Sonne. “Aufgrund der kurzen Umlaufdauer des Planeten lässt sich innerhalb von 15-20 Jahren zu verfolgen, wie er seinen Mutterstern einmal vollständig umkreist. Weitere Untersuchungen von Beta Pictoris b werden uns außerdem wertvolle Hinweise auf die physikalischen und chemischen Abläufe in der Atmosphäre eines jungen Gasplaneten geben”, erklärt der Nachwuchswissenschaftler Mickael Bonnefoy, ein Mitglied des Forscherteams.
Der Planet hat etwa die neunfache Masse des Jupiters. Damit hat er nicht nur die richtige Masse sondern auch den passenden Abstand zu seinem Mutterstern, um Strukturen wie die Wölbung zu verursachen, die im Innenbereich der Scheibe beobachtet wurde. Die Entdeckung von Beta Pictoris b weist damit gewisse Parallelen zu der Entdeckung des Planeten Neptun Mitte des 19. Jahrhunderts auf: Damals hatten die beiden Astronomen John Couch Adams und Urbain Le Verrier die Existenz eines bis dahin unbekannten Planeten aufgrund von Unregelmäßigkeiten in der Bahnbewegung des Uranus vorhergesagt und seine Position am Himmel berechnet. An der nämlichen Stelle fand Johann Gottfried Galle dann bei seinen Beobachtungen den Planeten Neptun.
“Beta Pictoris b und die Exoplaneten, die bei den jungen, massereichen Sterne Fomalhaut und HR8799 gefunden wurden, deuten zusammen genommen darauf hin, dass solche “Super-Jupiter” ein häufiges Produkt der Planetenentstehung um massereichere Sterne sind”, ergänzt Gaël Chauvin, ein weiteres Mitglied des Forscherteams.
Planeten wie Beta Pictoris b stören die Gas- und Staubscheiben um ihre Muttersterne und erzeugen dadurch Strukturen, die sich leicht mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) beobachten lassen werden – dem revolutionären Verbundteleskop, das die ESO derzeit zusammen mit internationalen Partnern in Chile errichtet.
Alle weiteren Planetenkandidaten, die sich bislang direkt abbilden ließen, sind weiter von ihren Muttersternen entfernt als Beta Pictoris b von dem seinen. Befänden sich diese Planeten in unserem Sonnensystem, wären sie mindestens so weit von der Sonne entfernt wie der äußerste Planet Neptun. Die Entstehung dieser weit draußen liegenden Exoplaneten ist vermutlich ganz anders verlaufen als die der Planeten in unserem Sonnensystem oder um Beta Pictoris.
“Die Exoplaneten, von denen in jüngerer Zeit direkte Abbildungen gelungen sind – oft kam dabei das VLT zum Einsatz – zeigen deutlich die Vielfalt der Planetensysteme”, erklärt Lagrange. “Beta Pictoris b ist darunter der vielversprechendste Kandidat für einen Planeten, der sich auf dieselbe Art und Weise gebildet hat wie die Gasriesen in unserem Sonnensystem.”
Endnoten
[1] Staubscheiben um junge Sterne bestehen aus Partikeln, die bei Zusammenstößen größerer Körper wie Asteroiden oder Planetesimalen (Vorläuferkörpern von Planeten) entstehen. In unserem Sonnensystem gibt es ebenfalls eine solche Scheibe aus interplanetarem Staub. Ihre Staubteilchen reflektieren das Licht der Sonne und sind unter exzellenten Beobachtungsbedingungen als so genanntes Zodiakallicht zu erkennen. Die Staubscheiben, die bei anderen Sternen beobachtet werden, sind üblicherweise viel größer als in unserem Sonnensystem. Die Scheibe um Beta Pictoris war die erste, die direkt abgebildet werden konnte. Heute weiß man, dass sie sich über einen Bereich erstreckt, dessen Durchmesser in etwa dem Tausendfachen der Entfernung der Erde von der Sonne entspricht.
[2] NACO ist ein Instrument mit sogenannter adaptiver Optik am Very Large Telescope der ESO in Chile. Adaptive Optik ist eine Technologie, mit deren Hilfe Astronomen Störeffekte elimieren können, die durch die Erdatmosphäre verursacht werden.So lässt sich Schärfe astronomischer Aufnahmen signifikant verbessern.
Weitere Informationen
Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse erscheinen in dieser Woche unter dem Titel “A Giant Planet Imaged in the disk of the Young Star Beta Pictoris” in einem Artikel von A.-M. Lagrange et al. in der Fachzeitschrift Science.
Die beteiligten Wissenschaftler sind A.-M. Lagrange, M. Bonnefoy, G. Chauvin, D. Ehrenreich und D. Mouillet (Laboratoire d'Astrophysique de l'Observatoire de Grenoble, Université Joseph Fourier, CNRS, Frankreich), D. Apai (Space Telescope Science Institute, Baltimore, USA), A. Boccaletti, D. Gratadour, D. Rouan und S. Lacour (LESIA, Observatoire de Paris-Meudon, Frankreich) und M. Kasper (ESO).
Das Infrarotinstrument NACO besteht aus zwei Komponenten: Die adaptive Optik NAOS (Nasmyth Adaptive Optics System) wurde von einem französischen Konsortium entwickelt, die Kamera-Spektrograf-Kombination CONICA (COude Near Infrared CAmera) von den Max-Planck-Instituten für Astronomie in Heidelberg und für Extraterrestrische Physik in Garching, jeweils in Zusammenarbeit mit der ESO.
Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Links
- Fachartikel (auf englisch)
- Weitere Informationen (auf englisch): Exoplanet media kit
Kontaktinformationen
Anne-Marie Lagrange
LAOG
Grenoble, France
Tel: +33 4 7651 4203
Mobil: +33 6 89 17 40 98
E-Mail: anne-marie.lagrange@obs.ujf-grenoble.fr
Henri Boffin
ESO La Silla, Paranal and E-ELT press officer
Garching, Germany
Tel: +49 89 3200 6222
Mobil: +49 174 515 4324
E-Mail: hboffin@eso.org
Markus Nielbock (Pressekontakt Deutschland)
ESO Science Outreach Network
und Haus der Astronomie
Heidelberg, Deutschland
Tel: +49 6221 528-134
E-Mail: eson-germany@eso.org
Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1024de |
Name: | Beta Pictoris |
Typ: | Milky Way : Star : Circumstellar Material : Planetary System |
Facility: | Very Large Telescope |
Instruments: | NACO |
Science data: | 2010Sci...329...57L |
Our use of Cookies
We use cookies that are essential for accessing our websites and using our services. We also use cookies to analyse, measure and improve our websites’ performance, to enable content sharing via social media and to display media content hosted on third-party platforms.
ESO Cookies Policy
The European Organisation for Astronomical Research in the Southern Hemisphere (ESO) is the pre-eminent intergovernmental science and technology organisation in astronomy. It carries out an ambitious programme focused on the design, construction and operation of powerful ground-based observing facilities for astronomy.
This Cookies Policy is intended to provide clarity by outlining the cookies used on the ESO public websites, their functions, the options you have for controlling them, and the ways you can contact us for additional details.
What are cookies?
Cookies are small pieces of data stored on your device by websites you visit. They serve various purposes, such as remembering login credentials and preferences and enhance your browsing experience.
Categories of cookies we use
Essential cookies (always active): These cookies are strictly necessary for the proper functioning of our website. Without these cookies, the website cannot operate correctly, and certain services, such as logging in or accessing secure areas, may not be available; because they are essential for the website’s operation, they cannot be disabled.
Functional Cookies: These cookies enhance your browsing experience by enabling additional features and personalization, such as remembering your preferences and settings. While not strictly necessary for the website to function, they improve usability and convenience; these cookies are only placed if you provide your consent.
Analytics cookies: These cookies collect information about how visitors interact with our website, such as which pages are visited most often and how users navigate the site. This data helps us improve website performance, optimize content, and enhance the user experience; these cookies are only placed if you provide your consent. We use the following analytics cookies.
Matomo Cookies:
This website uses Matomo (formerly Piwik), an open source software which enables the statistical analysis of website visits. Matomo uses cookies (text files) which are saved on your computer and which allow us to analyze how you use our website. The website user information generated by the cookies will only be saved on the servers of our IT Department. We use this information to analyze www.eso.org visits and to prepare reports on website activities. These data will not be disclosed to third parties.
On behalf of ESO, Matomo will use this information for the purpose of evaluating your use of the website, compiling reports on website activity and providing other services relating to website activity and internet usage.
Matomo cookies settings:
Additional Third-party cookies on ESO websites: some of our pages display content from external providers, e.g. YouTube.
Such third-party services are outside of ESO control and may, at any time, change their terms of service, use of cookies, etc.
YouTube: Some videos on the ESO website are embedded from ESO’s official YouTube channel. We have enabled YouTube’s privacy-enhanced mode, meaning that no cookies are set unless the user actively clicks on the video to play it. Additionally, in this mode, YouTube does not store any personally identifiable cookie data for embedded video playbacks. For more details, please refer to YouTube’s embedding videos information page.
Cookies can also be classified based on the following elements.
Regarding the domain, there are:
- First-party cookies, set by the website you are currently visiting. They are stored by the same domain that you are browsing and are used to enhance your experience on that site;
- Third-party cookies, set by a domain other than the one you are currently visiting.
As for their duration, cookies can be:
- Browser-session cookies, which are deleted when the user closes the browser;
- Stored cookies, which stay on the user's device for a predetermined period of time.
How to manage cookies
Cookie settings: You can modify your cookie choices for the ESO webpages at any time by clicking on the link Cookie settings at the bottom of any page.
In your browser: If you wish to delete cookies or instruct your browser to delete or block cookies by default, please visit the help pages of your browser:
Please be aware that if you delete or decline cookies, certain functionalities of our website may be not be available and your browsing experience may be affected.
You can set most browsers to prevent any cookies being placed on your device, but you may then have to manually adjust some preferences every time you visit a site/page. And some services and functionalities may not work properly at all (e.g. profile logging-in, shop check out).
Updates to the ESO Cookies Policy
The ESO Cookies Policy may be subject to future updates, which will be made available on this page.
Additional information
For any queries related to cookies, please contact: pdprATesoDOTorg.
As ESO public webpages are managed by our Department of Communication, your questions will be dealt with the support of the said Department.