Pressemitteilung

Planet aus einer fremden Galaxie entdeckt

Galaktischer Kannibalismus bringt Exoplaneten extragalaktischen Ursprungs in die Reichweite irdischer Astronomen

18. November 2010

Ein Team europäischer Astronomen hat mithilfe des MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskops am La Silla-Observatorium der ESO in Chile einen Exoplaneten entdeckt, dessen Stern von einer anderen Galaxie in unsere Milchstraße gekommen ist. Der jupiterähnliche Planet ist äußerst ungewöhnlich, denn der Stern, den er umkreist, nähert sich dem Ende seines Lebens und könnte sich anschicken, sich weiter auszudehnen und so den Planeten zu verschlingen. Ein ähnliches Schicksal könnte auch unserem eigenen Sonnensystem in ferner Zukunft bevorstehen. Die Entdeckung wird heute in Science Express veröffentlicht.

Im Laufe der letzten 15 Jahre haben Astronomen fast 500 Exoplaneten entdeckt, die Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft umkreisen, aber keinen außerhalb unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße [1]. Nun hat eine Gruppe von Astronomen einen Planeten mit mindestens der 1,25-fachen Masse des Jupiter [2] entdeckt, der einen Stern extragalaktischen Ursprungs umkreist. Der Stern HIP 13044 befindet sich allerdings inzwischen in der Milchstraße: Er gehört zum so genannten Helmi-Sternstrom, einer Gruppe von Sternen, die ursprünglich Teil einer Zwerggalaxie waren, welche sich die Milchstraße in einem Akt von galaktischem Kannibalismus vor etwa sechs bis neun Milliarden Jahren einverleibt hat.

Das ist für uns eine sehr aufregende Entdeckung“, sagt Rainer Klement vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, der die Auswahl der für diese Studie beobachteten Sterne getroffen hat.  „Erstmals haben wir in einem Sternstrom - also in einem Überrest einer anderen Galaxie - ein Planetensystem gefunden. Aufgrund der großen Entfernung ist es unmöglich, in anderen Galaxien Planeten zuverlässig nachzuweisen, doch dank der Verschmelzung dieser Zwerggalaxie mit unserer eigenen haben wir jetzt einen extragalaktischen Planeten in Reichweite unserer Teleskope.

HIP 13044 steht von der Erde aus gesehen in einer Entfernung von rund 2000 Lichtjahren im Sternbild „Chemischer Ofen“ (lat. Fornax) am Südhimmel. Die Astronomen entdeckten den Planeten, der die Bezeichnung HIP 13044 b erhalten hat, mit der so genannten Radialgeschwindigkeitsmethode, die misst, wie sich ein Stern aufgrund der Gravitationsanziehung eines um ihn kreisenden Planeten periodisch ein wenig auf die Erde zu und wieder von ihr weg bewegt. Für diese hochpräzise Messung nutzte das Team den hochauflösenden Spektrografen FEROS [3], der am 2,2 Meter MPG-ESO-Teleskop[4] am La Silla-Observatorium der europäischen Südsternwarte installiert ist.

Besonders ist auch, dass HIP 13044 b einer der wenigen bekannten Exoplaneten ist, der das Stadium als Roter Riese im Leben seines Muttersterns überlebt hat, während derer sich der Stern sehr stark ausgedehnt hat, nachdem ihm der Wasserstoff in seinem Kern ausgegangen war. Der Stern hat sich inzwischen wieder zusammengezogen und fusioniert anstelle des Wasserstoffs nun Helium in seinem Kern. Bis jetzt waren diese so genannten Horizontalast-Sterne ein unerforschter weißer Fleck auf der Landkarte der Planetenjäger.

Die Entdeckung von HIP 13044 b gelang im Rahmen einer systematischen Suche nach Exoplaneten, deren Muttersterne sich dem Ende ihres Lebens nähern”, erläutert Johny Setiawan, der Leiter des Forschungsprojekts und ebenfalls am MPIA tätig. “Auch unsere Sonne wird sich in ungefähr fünf Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen entwickeln wird. Möglicherweise zeigt uns das HIP 13044-System, wie die ferne Zukunft unseres Sonnensystems aussehen wird. Das macht die Entdeckung des Planeten natürlich um so faszinierender.”

HIP 13044 b befindet sich sehr nahe an seinem Mutterstern. Am dem Punkt seiner elliptischen Umlaufbahn, an dem er dem Stern am nächsten ist, beträgt sein Abstand von der Oberfläche des Sterns weniger als dessen Durchmesser, etwa das 0,055-fache der Entfernung Erde-Sonne. Für einen Umlauf um den Stern benötigt der Planet nur 16,2 Tage. Setiawan und seine Kollegen vermuten, dass die Umlaufbahn des Planeten zunächst viel größer gewesen ist, und dass HIP 13044 b während des Rote-Riesen-Stadiums nach innen wanderte.

Etwaige Planeten, die sich von Anfang an weiter innen befunden haben, hätten diese Phase vermutlich nicht überstanden “Für einen Horizontalaststern rotiert HIP 13044 sehr schnell”, stellt Setiawan fest. “Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass der Stern seine inneren Planeten während des Rote-Riesen-Stadiums verschluckt hat und sich dadurch schneller dreht.”

Obwohl HIP 13044 b bisher überlebt hat, könnte es sein, dass er kurz davor steht, ebenfalls von dem Stern verschlungen zu werden, denn im weiteren Verlauf seiner Entwicklung wird HIP 13044 sich erneut ausdehnen. Ähnlich könnten auch die äußeren Planeten in unserem eigenen Sonnensystem, etwa Jupiter, ihr Dasein beenden, wenn sich die Sonne in ferner Zukunft einmal dem Ende ihres Lebens nähert.

Der Stern selber wirft außerdem die Frage auf, wie sich überhaupt große Gasplaneten bilden, denn er enthält nur sehr wenige Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium – weniger als jeder andere bisher bekannte Stern mit Planeten. “Für die gängige Theorie der Planetenentstehung ist es ein großes Problem zu erklären, wie sich Planeten um einen Stern bilden können, der praktisch gar keine schweren Elemente enthält. Planeten um Sterne wie HIP 13044 sind wahrscheinlich auf eine andere Art und Weise entstanden”, so Setiawan.

Endnoten

[1] Es gibt Entdeckungsmeldungen von extragalaktischen Exoplaneten aufgrund von Beobachtungen so genannter Mikrogravitationslinsenereignisse. Dabei führt der Umstand, dass ein Stern A von der Erde aus gesehen vor einem noch ferneren Stern B vorbeiläuft, zu einem winzigen Helligkeitsanstieg. Bestimmte Charakteristika dieses Helligkeitsanstiegs weisen darauf hin, dass der Stern A einen Planeten besitzt. Allerdings kommt es nur sehr selten und nur durch Zufall vor, dass die zwei Sterne relativ zu irdischen Beobachtern genau richtig ausgerichtet sind, was solche Ereignisse einzigartig macht. Nachprüfbare Beobachtungen von extragalaktischen Exoplaneten sind auf diese Weise nicht möglich.

[2] Mithilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode können Astronomen nur eine Untergrenze für die Masse eines Planeten bestimmen, denn der genaue Wert hängt auch von der meist unbekannten Neigung der Bahnebene gegen die Sichtlinie zur Erde ab. Einfache statistische Überlegungen zeigen aber, dass diese Minimalmasse der wirklichen Masse des Planeten in der Regel sehr nahe kommt.

[3] FEROS ist ein Akronym für Fibre-fed Extended Range Optical Spectrograph. Der hochauflösende Echelle-Spektrograf wurde von einem Konsortium von vier europäischen Instituten unter Federführung der Landessternwarte Königstuhl in Heidelberg entwickelt und gebaut.

[4] Das MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop wurde 1984 in Betrieb genommen und ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) an die ESO. Die verfügbare Teleskopzeit wird zwischen Beobachtungsprogrammen der MPG und der ESO aufgeteilt, während die ESO für den Betrieb und die Instandhaltung des Teleskopes sorgt.

Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse erscheinen am 18. November 2010 unter dem Titel “A Giant Planet Around a Metal-poor Star of Extragalactic Origin” in einem Artikel von  J. Setiawan et al., auf Science Express.

Die beteiligten Wissenschaftler sind J. Setiawan, R. J. Klement, T. Henning, H.-W. Rix und B. Rochau (alle Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg), J. Rodmann (European Space Agency, Noordwijk, Niederlande) und T. Schulze-Hartung (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg).

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Für die deutsche Übersetzung ist der Deutsche Knoten des Netzwerks, das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, zuständig. Österreichische Vertreter sind Dr. Thomas Lebzelter, Universität Wien, und Dr. Peter Habison, Astronomie Wien.

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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1045.

Über die Pressemitteilung

Pressemitteilung Nr.:eso1045de-at
Name:Exoplanets, HIP 13044 b
Typ:Milky Way : Planet
Facility:MPG/ESO 2.2-metre telescope
Instruments:WFI

Bilder

First planet of extragalactic origin (artist’s impression)
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Wide-field image centred on the exoplanet HIP 13044 b
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ESOcast 24: First planet of extragalactic origin
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Video News Release 32: First planet of extragalactic origin (eso1045b)
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Zooming in on the first planet of extragalactic origin
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