Pressemitteilung
Arp 226: Wenn zwei Galaxien aufeinander treffen
10. November 2010
Astronomen der Europäischen Südsternwarte ESO haben eine spektakuläre neue Aufnahme der Galaxie Arp 226 (auch bekannt unter dem Namen „Atome-für-den-Frieden-Galaxie“) erstellt. Das auf dem Bild sichtbare kosmische Durcheinander entstand bei dem Zusammenstoß zweier Galaxien. Es bietet den Astronomen eine hervorragende Gelegenheit zu untersuchen, wie die Verschmelzung von Galaxien die Entwicklung des Universums beeinflusst.
Arp 226, auch bekannt als NGC 7252, ist ein Pärchen miteinander wechselwirkender und verschmelzender Galaxien, das den ausgefallenen Beinamen “Atome-für-den-Frieden-Galaxie” erhalten hat. Von der Erde aus gesehen steht das Galaxienpaar im Sternbild Wassermann. Es ist rund 200 Millionen Jahre von uns entfernt und gerade noch hell genug, um in Amateurteleskopen als schwacher, kleiner Nebelfleck sichtbar zu sein. Die hier gezeigte Aufnahme ist mit dem Wide Field Imager der ESO am 2,2 m-MPG/ESO-Teleskop am La Silla-Observatorium in Chile entstanden.
Zusammenstöße von Galaxien gehören zu den für die Entwicklung des Universums wichtigsten Prozessen. Die Untersuchung solcher Kollisionen liefert wichtige Hinweise über die Vorfahren heutiger Galaxien. Günstigerweise handelt es sich dabei um langwierige Ereignisse, die sich über Hunderte von Millionen Jahren hinziehen. Den Astronomen bleibt daher jede Menge Zeit, sie zu beobachten.
Das Bild von Arp 226 ist eine Momentaufnahme des Zusammenstoßes, auf der das gesamte Ausmaß des Durcheinanders der Kollision deutlich wird – und dies vor dem Hintergrund noch weiter entfernter Galaxien. Das Ergebnis dieses komplexen Zusammenspiels gravitativer Wechselwirkungen sind die deutlich sichtbaren Ausläufer der Galaxien, die aus Strömen von Sternen, Gas und Staub bestehen. Die Aufnahme zeigt außerdem Gas und Sterne, die aus den zusammenstoßenden Galaxien herausgerissen wurden und sich in mehreren Lagen als Hülle um den gemeinsamen Kern gewickelt haben. Während ein großer Teil des Materials in den Weltraum hinaus geschleudert wurde, sind andere Bereiche komprimiert worden. Dies hat zu heftiger Sternentstehung geführt: Es haben sich Hunderte junger Sternhaufen gebildet, die zwischen 50 und 500 Millionen Jahre alt sind und aus denen vermutlich in Zukunft einmal Kugelsternhaufen werden.
Arp 226 könnte Anschauungsmaterial für das Schicksal liefern, das unserer Heimatgalaxie bevorsteht. Astronomen haben ermittelt, dass die Milchstraße in drei bis vier Milliarden Jahren mit der Andromedagalaxie zusammenstoßen dürfte, so ähnlich wie es auf den Bildern mit Arp 226 passiert. Sorgen um unsere Sonne muss man sich dabei allerdings keine machen: Die Abstände zwischen den einzelnen Sternen innerhalb einer Galaxie sind so groß, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass die Sonne während des Verschmelzungsprozesses einen Frontalzusammenstoß mit einem anderen Stern erleiden wird. Es könnte allerdings passieren, dass sie aus dem Verbund der Milchstraße hinausgeschleudert wird.
Der seltsam anmutende Name „Atome-für-den-Frieden-Galaxie“ geht auf eine Rede zurück, die der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower im Dezember 1953 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen hielt und die unter dem Titel “Atome für den Frieden” bekannt wurde. Darin befürwortete Eisenhower die ausschließliche Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken – ein nach wie vor brisantes Thema. Die Rede und eine nachfolgende Konferenz erlangten in der wissenschaftlichen Gemeinschaft einen hohen Bekanntheitsgrad und führten zur Namensgebung für Arp 226. In der Tat ähneln die gewaltigen Bögen aus herausgerissenem Material bei dieser Galaxienkollision der schematischen Darstellung eines Atomkerns, der von Elektronen umkreist wird.
Weitere Informationen
Das MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop wurde 1984 in Betrieb genommen und ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft an die ESO. Sein Wide Field Imager, eine astronomische Kamera mit besonders großem Blickfeld und einem Detektor mit 67 Millionen Pixeln, liefert Bilder, die nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von ästhetischem Wert sind.
Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
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Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso1044de-at |
Name: | NGC 7252 |
Typ: | Milky Way : Galaxy : Type : Interacting |
Facility: | MPG/ESO 2.2-metre telescope |
Instruments: | WFI |